15423 Seminar

WiSe 23/24: Lektürenkurs Axel Honneth: Der arbeitende Souverän

Dennis Wutzke

Kommentar

Axel Honneth gilt als der zentrale Vertreter der sogenannten »dritten Generation« der Kritischen Theorie. Und sein jüngstes großes Buch vom »arbeitenden Souverän« wendet sich explizit einem Thema zu, das auch Adorno, Horkheimer und Marcuse schon umtrieb: dem stets prekären, umkämpften und ambivalenten Verhältnis zwischen dem demokratischen Charakter einer Gesellschaft und ihrer ökonomischen Reproduktion – dem Verhältnis von Demokratie und Arbeit. Honneths Pointe: Geradezu systematisch werde im Nachdenken über Demokratie übersehen, dass die Bürgerinnen und Bürger, die in demokratietheoretischer Ehrfurcht gerne als »Souverän«, als vielseitige Rechteinhaber und Akteure adressiert werden, die meiste Zeit des Tages etwas tun, das dann wiederum ganz eigenartig abgeschirmt bleibt von all diesen Ideen und Ansprüchen: Sie arbeiten. Wo aber Demokratietheorie die Realität der Arbeit dethematisiert, geschieht dies zu ihrem eigenen Schaden – so ließe sich Honneth zuspitzen. Als was Menschen sich bei der Arbeit erfahren, was die Arbeit aus ihnen macht, wie die Arbeit organisiert und verteilt ist – gegen solche Frage darf demokratisches Interesse weder praktisch noch sozialphilosophisch spröde bleiben. Denn ein Demokratieverständnis, das nicht bedenkt, ob meine »Arbeit« genau jene Anerkennungserfahrungen und jene Zeitsouveränität, jene intellektuellen wie psychischen Qualitäten eher fördert oder eher vernichtet, derer meine gelingende demokratische Praxis bedarf – das ist allenfalls halbiert. Honneth ist die Geste des tabula-rasa-Machens schon immer denkbar fern: Er versucht stattdessen, Spuren solchen Problembewusstseins in den liberalen Demokratietheorien selbst aufzutun – vor allem bei Adam Smith. Und er will seine Argumente schärfen gegen die überlieferten Kritiken der Arbeit: gegen die allzu intrinsisch an Sinnlosigkeitserfahrung ansetzende Entfremdungskritik, gegen allzu äußerlich am bloßen Aneignungsverhältnis ansetzende Kritik der Lohnarbeit. Beiden Kritikrichtungen fehle das demokratische Kriterium. Damit bietet Honneth kritisch, abgrenzend aber auch immer wieder anverwandelnd zahlreiche Bezüge zu großen theoretischen Traditionen. Für ein Seminar sehr dankbar, säht er am Wegesrand seiner Argumentation in breiten Spuren thesenstarke und gewiss auch kritikwürdige Anknüpfungspunkte sowohl zur Sozialgeschichte wie zur Sozialphilosophie der Arbeit. Im Mittelpunkt des Seminars steht die intensive, kritische und vollständige Lektüre von Honneths Buch. In mehrere Richtungen wollen wir den Text dann auch als gedanklichen Impuls für eigene Nebenstudien nutzen. Hierzu drei Vorschläge: 1.)Wie verhält sich das, was uns historisch kontingent als »Arbeit« gilt, zu ihrem vermittelten Gegenteil, zur »Nichtarbeit«? Gibt es womöglich eine Nachtseite der von Honneth zentrierten integrativen Funktion von Arbeit – eine Fetischisierung von Arbeit, die das technisch vermittelte Überflüssigwerden von Arbeit stets aufs Neues nur als Überflüssigkeit von Menschen realisieren und bearbeiten kann, auch in normativer Hinsicht? Welche Konsequenzen hätte das demokratietheoretisch – ist der (ökonomisch) »überflüssige« Staatsbürger ein Widerspruch in sich? Bietet Honneth für die Wut auf und die Abwertung von »Nichtarbeit« begriffliche Organe – oder gerade nicht? 2.)Wie verhält sich Honneths Entwurf zu den für die Kritische Theorie wichtigen Sozialphilosophien der Arbeit – immer wieder zu Marx, aber auch zu den Gesprächen zwischen Horkheimer und Adorno über »Arbeit« sowie zu Habermas‘ »Arbeit und Interaktion«? Sind dort die Wechselverhältnisse zwischen demokratischer Verfasstheit und arbeitsteiliger Reproduktion anders, besser, schlechter gedacht? 3.)In welche Beziehung tritt bei Honneth methodologisch eine normative Sozialphilosophie zur Realgeschichte? Besonders wichtige Bezüge sind hier die Monographien von Jürgen Osterhammel über das 19.Jahrhundert und Robert Castels Geschichte der sozialen Frage. Dort werden wir wiederholt mitlesen. Schließen

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