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Dante und Das neue Leben

Michael Auer

Kommentar

Heute gilt Dante unbestritten als Vertreter der Weltliteratur. Wenn man beginnt, sich mit seinem Leben und seiner Zeit zu beschäftigen, wird aber schnell klar, dass eine solche Konjunktur seines Werks kaum abzusehen war. Er war ein politischer Flüchtling und starb im Exil. Und offenbar war auch die Frau, die er liebte, früh gestorben, ohne dass er sie mehr als wenige Male auch nur sehen oder sprechen konnte. Vor allem aber schrieb er seine heute kanonischen Werke auf Italienisch, genauer noch auf Toskanisch – und also in einer damals minoritären Literatursprache. Dieses italienischsprachige Werk kann sogar als eine Art Trauerarbeit für die Begegnung mit „Beatrice“ gelesen werden. So hat es die Volkssprache aus dem Schatten des Lateinischen (dessen damals fast ausnahmslos Männer mächtig waren) nicht zuletzt deshalb befreien können, weil dieses Werk Frauen Zugang zur Literaturlektüre verschaffen wollte.

Da von der Biographie Dantes kaum etwas gesichert ist, wird man die Zusammenhänge von Exil, Liebe, Tod und Minorität nur über eine Lektüre seiner Texte erschließen können. In ihnen findet sich ein self-fashioning der Figur von „Dante“, das man heute vielleicht als Autofiktion beschreiben würde. Den Aussagen zu Ereignissen und zu Figuren ist also nicht restlos zu vertrauen. Vielmehr sind seine Texte ein unerhörtes Spiel, das sich neue Regeln setzt und dabei auf die nicht zuletzt klanglichen, rhythmischen und figurativen Ressourcen der italienischen Sprache vertraut; mit Julia Kristeva könnte man hier vom „Semiotischen“ sprechen. Wir wollen diesem Spiel mit Identitäten und Zuschreibungen nachspüren. Dabei wird sich sein trauerndes Schreibprojekt nicht nur als ein tiefmelancholisches Unterfangen erweisen; vielleicht zeigt sich auch, dass es sich eine andere Art der Lust erschreibt.

Das neue Leben, das bei Dante beginnt (und vielleicht heute noch weitergeht…), ist tiefambivalent, in Leben und Literatur, Liebe und Verlust, Lust und Leid verstrickt.

In diesem Kurs werden wir ausgewählte Auszüge aus Dantes Werken lesen und diskutieren. Dazu gehören namentlich La vita nova (Das neue Leben) und die Commedia (die sogenannte Göttliche Komödie). Die Textpassagen werden auf Italienisch und auf Deutsch bereitgestellt. Italienischkenntnisse sind keine Voraussetzung für die Teilnahme, es wird aber Bereitschaft erwartet, sich mit dem italienischen Wortlaut auseinanderzusetzen.

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