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Künstlerische Auseinandersetzung mit den Kleinen Fächern

Die Figur eines Kojoten auf dem Vorplatz der Holzlaube vervollständigt das dreiteilige Kunstwerk „Tricksters Plan“

05.02.2018

Der Kojote ist aus Eichenholz gefertigt. Er wird sich mit der Zeit verfärben und dem Grau der Holzlaube ähneln.

Der Kojote ist aus Eichenholz gefertigt. Er wird sich mit der Zeit verfärben und dem Grau der Holzlaube ähneln.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Zur Einweihung kam sogar kurz die Sonne heraus an diesem ansonsten grauen Januar-Morgen. Während Holzbildhauer Sebastian Hertrich gemeinsam mit den Steinmetzen Roland Luchmann und Frederik Frövel den gut 100 Kilogramm schweren Holzkojoten mit Metallstäben im Boden befestigten, erläuterte der Künstler Robert Patz das Konzept seiner Trickster-Figur: Der Trickster (abgeleitet vom englischen Wort „trick“, Betrug, Kniff; Französisch: „tricher“, mogeln, betrügen) ist eine mythologische Figur – ein Schelm, Betrüger, Tölpel – der die göttliche Ordnung bewusst durcheinanderbringt und Regeln in Frage stellt. Sein Kojote, so Patz, verkörpere den „Trickster“, wie ihn die Biologin und Wissenschaftstheoretikerin Donna Haraway versteht: eine Figur, die der Welt entspricht: „Weil die Welt den Fragen der Wissenschaft und dem Streben nach Forschung stets ausweicht. Immer wenn wir etwas entdecken oder Fragen beantworten, entstehen wieder neue Fragen.“

Robert Patz hatte 2016 den von der Freien Universität ausgeschriebenen berlinweiten Wettbewerb „Kunst am Bau“ mit seinem Entwurf „Tricksters Plan“ gewonnen. Organisiert und durchgeführt wurde das Projekt von der Technischen Abteilung der Freien Universität. Gesucht worden war nach künstlerischen Konzepten für die Holzlaube, in der die Kleinen Fächer untergebracht sind. Nach Konzepten „die sich mit der räumlichen Situation, der Architektur und thematisch mit der fächerübergreifenden Zusammenarbeit und dem Dialog der Kulturen auseinandersetzen“. Die siebenköpfige Jury aus Bildenden Künstlern, Kunstwissenschaftlern, Architekten und Landschaftsarchitekten des Neubaus und den Nutzern der Freien Universität hatte sich einstimmig auf „Tricksters Plan“ geeinigt. Das dreiteilige Werk besteht aus der Figur des Holz-Kojoten auf dem Vorplatz der Holzlaube, sechs Installationen in den Treppenhäusern sowie einer Wandarbeit in der Campusbibliothek.

Gegensätze vereinbaren

„Tricksters Plan“ habe vor allem durch seine klare künstlerische Grundidee überzeugt, die sich auf die wissenschaftlichen Praktiken und die Darstellungsgebundenheit, die Visualität von Wissen beziehe und die Figur des Tricksters als Leitmotiv einer kritischen, ironischen Auseinandersetzung damit nutze, sagte Professor Klaus Mühlhahn, Vizepräsident der Freien Universität und Mitglied des Preisgerichts, bei der Einweihung des Kunstwerks: „Es nimmt sich der Darstellungen von Transkriptions- und Translationsverfahren der Wissenschaften an, die hier praktiziert werden. Wobei es Bildpraktiken, Zeichen und Systeme in einer einzigen Arbeit miteinander verwebt und vernetzt. Der Kojote erscheint dabei als eine interessante Figur, ein Gestaltwandler, ein Umkehrer oder auch ein Bote, der Gegensätze vereinbaren kann.“

Jedes der sechs Blechmobiles hat eine andere Farbe.

Jedes der sechs Blechmobiles hat eine andere Farbe.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Der „Trickster“ ist aus Eichenholz gefertigt, ebenso wie die Sitzbänke auf dem Vorplatz. Das lediglich lasierte Holz wird sich mit der Zeit verfärben und dann dem Grau der Holzlaube ähneln. „Es ist so gedacht, dass sich die Figur verändern kann“, sagte Robert Patz. „Sie darf auch angefasst werden.“ Dass die Idee funktioniert, ließ sich schon am Vortag der offiziellen Einweihung beobachten: Kinder kletterten auf dem Kojoten herum, Hunde beschnüffelten das „Familienmitglied“ – ließen aber wegen des fehlenden Tiergeruchs schnell wieder von ihm ab.

Wochenlange Handarbeit

Die Wandarbeit in der Campusbibliothek erstreckt sich vom Eingang in der L-Straße bis hin zum gegenübergelegenen Notausgang am Rudi-Dutschke-Weg und trennt praktisch die neue Bibliothek von der ehemaligen Erziehungswissenschaftlichen Bibliothek. „Als ich das erste Mal hier im Raum war, habe ich sofort gesehen, dass es diese Wand sein muss“, sagte Robert Patz. Der lange Durchgang und die Öffnung hin zum Lesesaal, der Blick auf das geordnete Büchersystem, die Archivierung von Wissen, hätten sich perfekt für das Thema geeignet.

Die Wand zieren Zeichen, Darstellungsweisen der Wissenschaft, geometrische Elemente, fremde Schriften, Datierungen, Messsysteme, Karten, auch ein paar figürliche Darstellungen – und der Kojote, der immer mal wieder auftaucht. „Es sind aber alles Dinge, die eigentlich keinen Sinn ergeben, die tatsächlich nicht lesbar sind“, erklärte der Künstler. Während in der Bibliothek versucht werde, Wissensfülle zu ordnen, um sie zu beherrschen, sei der Trickster die gegenteilige Geste: Er versuche, uns zu verwirren und an der Nase herumzuführen durch diesen Überfluss an Darstellungen, an möglichem Wissen, sagte Robert Patz. „Es ist interessant zu beobachten, dass sich die Menschen die Darstellungen im Detail anschauen, um zu versuchen, die Schriftelemente zu entziffern – dann aber zurückschrecken, weil sie merken, dass das Werk nicht lesbar ist. Das war meine Idee.“ Die Zeichnungen hat Patz selbst per Hand angefertigt und sie anschließend vergrößert, arrangiert und digital auf eine Tapete drucken lassen.

Einen Monat lang hat Robert Patz jeden Quadratzentimeter der 60 Meter langen Wand bearbeitet, um die Tapete anzubringen. Denn die Sichtbetonwände waren nicht eben und mussten erst begradigt werden – während des laufenden Bibliotheksbetriebs. Es musste also leise und ohne Staubentwicklung gearbeitet werden. „Deshalb mussten wir es manuell machen“, sagte Patz. Tatkräftig unterstützt wurde er von seinem Künstlerkollegen Maxim Bauer: „Wir haben die Wand mit Gummihammer und Meißel abgeschlagen und mit Spachtelmasse geglättet.“ Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek seien die Arbeiten die ganze Zeit über sehr positiv und mit regem Interesse begleitet worden. „Der Kunst beim Entstehen über einen langen Zeitraum zusehen zu dürfen, war für uns außerordentlich spannend, und viele haben die Gelegenheit für einen Austausch mit dem Künstler genutzt“, sagte Martin Lee, Leiter der Campusbibliothek.

Spiegel der Architektur

In den sechs Treppenhäusern der Holzlaube ist jeweils eine Installation, eine Art Mobile angebracht. Die gewellten Aluminiumbleche sind einseitig bedruckt und erinnern an Blätter oder Buchseiten. Die Schrift und die Symbole erinnern an die auf der Tapete, wodurch eine Verbindung geschaffen wird. Aber auch hier entzieht sich das Dargestellte permanent dem Betrachter, da er stets nur einen Ausschnitt der Seite sehen kann. Wir müssten uns bewegen, um lesen, lernen und verstehen zu können, erklärte Patz – auch im übertragenen Sinne: „Wir müssen unseren Standpunkt, unsere Perspektive ändern, das ist eine typische Bewegung des Erkenntniserwerbs.“ Außerdem sei ihm wichtig gewesen, den Luftraum auszunutzen. Die Seiten sollten sich bewegen können, ebenso wie die Menschen, die im Treppenhaus unterwegs sind.

Hunde beschnüffelten das „Familienmitglied“ zwar, ließen aber wegen des fehlenden Tiergeruchs schnell wieder von ihm ab.

Hunde beschnüffelten das „Familienmitglied“ zwar, ließen aber wegen des fehlenden Tiergeruchs schnell wieder von ihm ab.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die hängenden Installationen sind jeweils individuell gestaltet. Einige bestehen aus sechs Elementen, andere nur aus zweien, wodurch sie unterschiedlich lang sind. Rund 150 Kilogramm schwer sind die größten Mobiles. Jedes hat eine andere Farbe. In diesen kleinen Unterschieden spiegelt sich das Gebäude wider. Auch die Treppenhäuser sind auf den zweiten Blick nicht alle identisch: Die Lichtverhältnisse sind unterschiedlich, sogar die Akustik unterscheidet sich, da das Gebäude ganz unterschiedlich genutzt wird.

Abschluss eines großen Projekts

Die Einweihung des dreiteiligen Kunstwerks „Tricksters Plan“ vollendet die Zusammenführung der Kleinen Fächer in der Holzlaube (campus.leben hat ausführlich berichtet). Zuvor waren die einzelnen Institute auf verschiedene Villen verstreut. Die neue räumliche Nähe der Fächer durch den Einzug in die Holzlaube habe in den vergangenen zwei Jahren große Veränderung erbracht, sagte Sinologieprofessor Klaus Mühlhahn, dessen Büro am Ostasiatischen Seminar ebenfalls dort untergebracht ist. „Man trifft die Kolleginnen und Kollegen häufiger als früher. Dadurch entstehen Gespräche, es gibt ein ganz anderes Zusammengehörigkeitsgefühl.“ Es habe ihn daher sehr gefreut, dass im Rahmen des Bauprojekts für die Kleinen Fächer mit dem „Kunst am Bau“-Wettbewerb auch die künstlerische Auseinandersetzung mit den in der Holzlaube angesiedelten Fächern stattgefunden habe.

Weitere Informationen

Die Freie Universität ist nach der Anweisung Bau (ABau) des Landes Berlin bei großen Bauprojekten dazu verpflichtet, einen Wettbewerb für „Kunst am Bau“ auszurichten. So stammen die Skulpturen in den Innenhöfen der Rost- und Silberlaube beispielsweise aus einem 1981 ausgelobten „Kunst am Bau“-Wettbewerb. Die Kosten für die jeweiligen Kunstwerke errechnen sich aus den Baukosten: ein halbes Prozent der Summe für Hochbau und Technik muss jeweils für Herstellungskosten sowie für Honorare inklusive Wettbewerbskosten veranschlagt werden. Für den Neubau für die Kleinen Fächer und die Campusbibliothek ergibt sich so ein Betrag von rund 365.000 Euro. Darin enthalten sind alle Kosten für die Wettbewerbsdurchführung sowie für Honorare, Regie-, Material- und Herstellungskosten des Künstlers einschließlich sämtlicher Neben- und Reisekosten.