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Deutschland als Licht der Hoffnung

Bei der ersten Kim Dae Jung Lecture an der Freien Universität sprach die ehemalige Premierministerin Südkoreas Han Myeong-Sook über den Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel

13.07.2018

Die erste Kim Dae Jung Lecture am Institut für Koreastudien hielt die ehemalige Premierministern Südkoreas Han Myeong-Sook. Im Anschluss an ihren Vortrag diskutierte sie mit dem ehemaligen deutschen Botschafter in Seoul, Norbert Baas.

Die erste Kim Dae Jung Lecture am Institut für Koreastudien hielt die ehemalige Premierministern Südkoreas Han Myeong-Sook. Im Anschluss an ihren Vortrag diskutierte sie mit dem ehemaligen deutschen Botschafter in Seoul, Norbert Baas.
Bildquelle: Jonas Huggins

Nachdem bis vor Kurzem noch von unmittelbarer Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel die Rede gewesen sei, habe sie seit Anfang des Jahres wieder Hoffnung auf Frieden geschöpft: Diese optimistische Haltung vertrat die ehemalige Premierministerin Südkoreas Han Myeong-Sook an der Freien Universität. Die Vortragsreihe Kim Dae Jung Lecture, die von nun an jährlich stattfinden soll, wird vom Institut für Koreastudien der Freien Universität in Kooperation mit der Kim Dae Jung Presidential Library & Museum der Yonsei University Seoul veranstaltet. Sie erinnert an Kim Dae Jung, Präsident Südkoreas von 1998 bis 2003 und Vorkämpfer der Demokratiebewegung, der sich mit seiner „Sonnenscheinpolitik“ um die Annäherung an Nordkorea verdient gemacht hat. Lee Hee-Ho, die Witwe des 2009 verstorbenen Präsidenten, sandte eine kurze Videobotschaft nach Dahlem, hochrangige Gäste hielten Grußworte, unter ihnen der südkoreanische Botschafter in Berlin Jong Bumgoo. Nach der Rede von Han Myeong-Sook diskutierte der ehemalige deutsche Botschafter in Seoul Norbert Baas mit der Politikerin.

Im Mittelpunkt des Vortrags stand die besondere Beziehung Koreas zu Deutschland. Han Myeong-Sook berichtete über ihre Zeit als politisch Verfolgte während der südkoreanischen Militärdiktatur in den siebziger und achtziger Jahren und ihre Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der beiden koreanischen Staaten. Deutschland sei hier immer ein Vorbild gewesen: „Für alle Koreaner, die sich dem Militärregime entgegenstellten, war Deutschland ein Licht der Hoffnung“, sagte sie, denn die Bundesrepublik habe bewiesen, dass Demokratie nicht zwangsläufig durch eine „Ideologie des Antikommunismus“ behindert werden müsse. Heute sei es vor allem die friedliche deutsche Wiedervereinigung, die die Menschen in Korea inspiriere. „Allein, um nicht den Traum zu verlieren, dass wir auch in Korea eines Tages in Frieden miteinander leben können, hat das Interesse für Deutschland nie nachgelassen“, sagte die Politikerin.

Lee Hee-Ho, die Witwe des 2009 verstorbenen Präsidenten Kim Dae Jung, nach dem die Vorlesungsreihe benannt ist, sandte eine kurze Videobotschaft nach Dahlem.

Lee Hee-Ho, die Witwe des 2009 verstorbenen Präsidenten Kim Dae Jung, nach dem die Vorlesungsreihe benannt ist, sandte eine kurze Videobotschaft nach Dahlem.
Bildquelle: Jonas Huggins

Auch für Kim Dae Jung habe die deutsche Geschichte Anlass zu Hoffnung gegeben. Er wählte im Februar 2000 die Freie Universität Berlin, um seine Vision von einer friedlichen Wiedervereinigung in seiner „Berliner Erklärung“ zu skizzieren. Wenige Monate später kam es zu einem ersten Treffen zwischen den damaligen süd- und nordkoreanischen Staatschefs, und noch im selben Jahr wurde Kim Dae Jung mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Zahlreiche Gipfeltreffen folgten, die Sonderwirtschaftszone Kaeseong wurde eingerichtet und ermöglichte tägliche Kontakte zwischen dem Norden und dem Süden. „Der Dialog zwischen Nord- und Südkorea wurde Alltag“, sagte Han Myeong-Sook. Die Freie Universität zeichnete Kim Dae Jung 2007 mit dem Freiheitspreis der Universität aus.

Ein wichtiger Teil dieser Annäherung waren Familienzusammenführungen. Davon profitierten bis zu 20.000 Personen, die seit der Teilung 1953 keinen Kontakt zu ihren Familien gehabt hatten, sagte die ehemalige Premierministerin. Dann kam eine Zeit der Rückschläge: Viele Erfolge der „Sonnenscheinpolitik“ sind im vergangenen Jahrzehnt rückgängig gemacht worden: Die politischen Konsultationen wurden eingestellt und die Sonderwirtschaftszone geschlossen. Nordkorea führte mehrere Kernwaffentests durch.

V.l.n.r.: Professorin Eun-Jeung Lee, Leiterin des Instituts für Koreastudien, Norbert Baas, deutscher Botschafter a.D. in Seoul, die ehemalige Premierministerin Südkoreas Han Myeong-Sook und der Leiter der KDJ-Bibliothek, Professor Myung-lim Park.

V.l.n.r.: Professorin Eun-Jeung Lee, Leiterin des Instituts für Koreastudien, Norbert Baas, deutscher Botschafter a.D. in Seoul, die ehemalige Premierministerin Südkoreas Han Myeong-Sook und der Leiter der KDJ-Bibliothek, Professor Myung-lim Park.
Bildquelle: Jonas Huggins

Doch heute, so hofft Han Myeong-Sook, könne an die Fortschritte der „Sonnenscheinpolitik“ von damals angeknüpft werden. Sollte es erneut ein Programm geben, das getrennte Familien in Kontakt zueinander bringt, würde sie gerne daran teilnehmen. „Ich träume davon, eines Tages für die Familienzusammenführung ausgewählt zu werden“, sagte die Politikerin. Sie ist in Pjöngjang geboren, musste aber mit Ausbruch des Koreakrieges in den Süden fliehen. Ihre Heimatstadt, heute die Hauptstadt Nordkoreas, hat sie seither nicht wiedergesehen.

Kim Dae Jung, so die Rednerin, sei für sie ein Lehrer gewesen. Der spätere Präsident hatte sich seit Gründung der Republik Südkorea für Menschenrechte und demokratische Freiheit eingesetzt. Lange Zeit saß er im Gefängnis oder befand sich im Exil. Eine gegen ihn verhängte Todesstrafe wurde erst auf internationalen Druck hin ausgesetzt. Nach seiner Wahl zum Präsidenten wurde Han Myeong-Sook – als erste Frau in diesen Ämtern – in seiner Regierung zunächst Frauenministerin, dann Umweltministerin und schließlich Premierministerin. Im politischen System Südkoreas hat die Premierministerin als Stellvertreterin des Präsidenten das zweithöchste Amt inne.

Die Teilung Koreas betrifft Han Myeong-Sook auch persönlich. Mit Ausbruch des Koreakrieges floh sie aus ihrer Heimatstadt Pjöngjang in den Süden. „Ich träume davon, eines Tages für die Familienzusammenführung ausgewählt zu werden“, sagte sie.

Die Teilung Koreas betrifft Han Myeong-Sook auch persönlich. Mit Ausbruch des Koreakrieges floh sie aus ihrer Heimatstadt Pjöngjang in den Süden. „Ich träume davon, eines Tages für die Familienzusammenführung ausgewählt zu werden“, sagte sie.
Bildquelle: Jonas Huggins

Frieden auf der koreanischen Halbinsel, so Han Myeong-Sook, könne nicht plötzlich eintreten, sondern sei ein langer Prozess. Das Vertrauen, das nach Jahrzehnten der Anfeindungen zerstört worden sei, müsse in kleinen Schritten wiederaufgebaut werden – wie etwa durch die kürzlich eingerichtete Hotline zwischen den Regierungen des Nordens und des Südens. „Das ist ein Stück Wiedervereinigung für uns“, sagte sie.

An Deutschland richtete sie den Appell, den Nord-Süd-Dialog zu unterstützen, wie es schon Willy Brandt und Richard von Weizsäcker getan hätten, indem sie Kim Dae Jung in dessen Oppositionszeit beistanden. „Ich bitte Europa und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland inständig, sich an dem Friedensprozess in Korea aktiv zu beteiligen“, sagte die Politikerin und ergänzte: „Für ein friedliches Miteinander in Korea bedarf es großen Vertrauens auf internationaler Ebene.“