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„Unsere Vision ist ein Wintersemester mit möglichst viel Präsenz auf dem Campus“

Ein Interview mit Kanzlerin Andrea Bör und Vizepräsident Professor Hauke Heekeren

23.07.2021

Studierende auf dem Campus: So, das wünschen sich alle, soll es möglichst bald wieder aussehen.

Studierende auf dem Campus: So, das wünschen sich alle, soll es möglichst bald wieder aussehen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Impfen, Testen, Masken und hoffentlich wieder viel Leben auf dem Campus – Kanzlerin Andrea Bör und Vizepräsident Professor Hauke Heekeren erläutern die Pläne der Freien Universität Berlin für das Wintersemester 2021/2022 und die Voraussetzungen, die dafür durch die Politik geschaffen werden müssen.

Frau Bör, Herr Professor Heekeren, was denken Sie: Wie wird es Anfang Oktober hier auf dem Campus der Freien Universität aussehen?

Hauke Heekeren: Das ist ganz einfach: belebt! Die Beschäftigten und die Studierenden kehren zurück …

Wie viele Studierende sehen Sie in Ihrer Vorstellung auf dem Campus? Alle? Jederzeit?

Hauke Heekeren: Wir tun schon seit einiger Zeit alles dafür, um allen Studierenden Lehrangebote in Präsenz machen zu können – aber sicher werden nicht alle jederzeit auf dem Campus sein können. Es wird weiterhin digitale oder hybride Anteile in der Lehre geben. Unter anderem, weil wir damit in bestimmten Fach- und Wissenschaftsbereichen gute Erfahrungen gemacht haben. Aber auch, weil gerade sehr große Vorlesungen mit zwei oder drei hundert Personen zunächst nicht für alle in Präsenz funktionieren werden. Wovon ich aber ausgehe, ist, dass alle Studierenden im kommenden Semester Präsenzlehre erleben werden.

Welche aktuellen Regeln stehen einer Öffnung im Weg?

Hauke Heekeren: Zunächst das Abstandsgebot. Wir brauchen deshalb dringend eine Klärung der Politik, unter welchen Bedingungen es wegfallen könnte oder gelockert wird.

Derzeit machen wir daher eine szenarienbasierte Planung: Plan A sieht eine weitgehende Öffnung unserer Universität zum Wintersemester vor. Denn von den Studierenden hören wir immer deutlicher, welche negativen Auswirkungen ein pandemiebedingtes, überwiegend digitales Studium auf sie hat. Wir sehen die psycho-sozialen Folgen der Pandemie. Die Studierenden leben zum Teil in sehr beengten Verhältnissen, das ist auf Dauer nicht tragbar. Auch die Mitarbeitenden, gerade die Kolleginnen und Kollegen in der Lehre, wollen ihrer Arbeit wieder im kollegialen Umfeld nachgehen.

Andrea Bör: Wir spüren eine starke Verpflichtung, unseren Teil zu tun, um das zu ändern. Das nehmen wir sehr ernst.

Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler

Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit der Plan A funktioniert?

Hauke Heekeren: In der Corona-Taskforce des Landes Berlin und der Freien Universität sowie durch den Austausch mit wissenschaftlichen Partnerinnen und Partnern haben wir gelernt, wie diese Pandemie „funktioniert“. Wir können deshalb wissenschaftsbasiert einschätzen, unter welchen Bedingungen wir zum Wintersemester verantwortungsbewusst öffnen können:

Zunächst sollten möglichst viele Menschen, die an die Freie Universität kommen, geimpft sein. Dafür leisten wir auch selbst einen wichtigen Beitrag mit unserer eigenen Impfstelle in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmedizinischen Zentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Wir impfen seit mehreren Wochen täglich zwischen 100 und 300 Mitarbeitende und Studierende. Für die Erstsemester und die internationalen Studierenden werden wir im Herbst weiterhin Impfangebote und Unterstützung durch das Land benötigen.

Dann muss sichergestellt sein, dass das Infektionsgeschehen insgesamt beherrschbar bleibt. Eine Strategie zur Kontaktnachverfolgung und Anwesenheitsdokumentation ist ein zentraler Baustein dafür.

Drittens brauchen wir eine Teststrategie mit Fokus auf diejenigen, die nicht geimpft oder genesen sind – auch hier ist politisch zu klären, wie es mit den Tests in Berlin weitergeht.

Und viertens gehen wir davon aus, dass wir auch weiterhin in geschlossenen Räumen einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. Wir hoffen aber, dass medizinische Masken ausreichen werden.

Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, können wir – und das bestätigen auch Expertinnen und Experten der Charité und anderer Universitäten, mit denen wir im Austausch stehen – auf Abstand in den Innenräumen verzichten und Veranstaltungsräume und Hörsäle auch wieder ohne grundsätzliche Teilnehmerbeschränkungen nutzen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass wir ab sofort alle Räume voll besetzten werden, sondern dass die Bereiche mehr Spielräume und eine organisatorische Entlastung für ihre spezifischen Planungen haben.

Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler

Stehen Sie dazu im Austausch mit der Landespolitik?

Hauke Heekeren: Wir sind in einem sehr guten Austausch in der Corona-Taskforce des Landes Berlin, die von Wissenschaftsstaatsekretär Steffen Krach effektiv und unter Einbeziehung einschlägiger Expertinnen und Experten geleitet wird. Das Gremium folgt ebenfalls einem wissenschaftsgeleiten Ansatz.

Generell würden wir uns wenige, klare Rahmenrichtlinien wünschen, die es den Berliner Hochschulen ermöglichen, bei der Öffnung den eigenen Gegebenheiten entsprechend vorzugehen. Schließlich unterscheiden sich die Hochschulen in ihren Räumlichkeiten, Angeboten und der Größe der Studiengänge. Das für uns wichtige Stichwort ist: Vertrauen. Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir verantwortungsvoll vorgehen und die Universität auch unter schwierigen Bedingungen am Laufen gehalten haben.

Andrea Bör: Wir können und wollen auch aufgrund unserer räumlichen Möglichkeiten so viel Präsenz wie möglich haben. Durch den weiträumigen Campus lässt sich das Geschehen bei uns stärker auseinanderziehen. Wir haben zahlreiche Fächer mit niedrigen Studierendenzahlen, bei denen die Lehrveranstaltungen von der Größe her einer Schulklasse entsprechen. Aber wir haben natürlich auch die ganz großen Fächer – Jura, Betriebswirtschaftslehre oder Grundschulpädagogik – deren Vorlesungen in Nicht-Corona-Zeiten zum Beispiel auch im Max-Kade-Auditorium, dem Audimax, stattfinden.

Die Fachbereiche gehen in ihren Planungen differenziert vor. Die digitale oder hybride Lehre kann ein Szenario sein, das wir bewusst beibehalten, wo es sich bewährt hat. Und wir hoffen, dass sich bis zum Semesterbeginn viele Studierende einen Impfschutz haben – oder dass sie rechtzeitig in Berlin ankommen, damit wir ihnen noch ein Impfangebot machen können.

Impfen ist ein wichtiger Bestandteil der Strategie. Können Sie die Impfsituation an der Freien Universität einschätzen?

Andrea Bör: Den Mitarbeitenden machen wir bereits seit einiger Zeit Impfangebote, da sollten wir eine relativ hohe Impfquote erreicht haben. Wir appellieren hier auch sehr stark an jeden und jede!

Bei den Studierenden ist es zum aktuellen Zeitpunkt für uns schwieriger, jede und jeden einzeln zu erreichen, weil sie nicht alle in der Stadt sind, wir mitten in der Prüfungszeit sind und in der vorlesungsfreien Zeit. Die Lehrenden haben in Ihren Vorlesungen und Seminaren auf die Impfmöglichkeiten hingewiesen, das freut uns sehr.

Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler

Eine Impfpflicht wird es also nicht geben?

Hauke Heekeren: Davon gehen wir aus, das würde auch nicht unserem gemeinsamen Verständnis entsprechen. Unabhängig davon: Eine hohe Impfquote ist der Schlüssel dafür, dass wir wieder zur Präsenzlehre und dem Campusleben zurückkehren können, wie wir es kennen.

Andrea Bör: Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen und dass viele das Impfangebot annehmen werden – das ist ja auch für die Freizeitgestaltung wichtig und um reisen zu können. Wir können nur sagen: Es gibt Termine, an manchen Tagen auch kurzfristig. Kommen Sie vorbei, nutzen Sie die Chance und helfen Sie mit, damit wir zum nächsten Semester weiter öffnen können!

„Weiter öffnen“ ist ein wichtiges Stichwort – denn während der ganzen Zeit war die Freie Universität niemals ganz geschlossen …

Andrea Bör: Richtig. Unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen und mithilfe einer Teststrategie fand alles in Präsenz statt, was unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen möglich war: in den Lehrplänen vorgeschriebene Praktika in naturwissenschaftlichen Fächern etwa oder in der Veterinärmedizin. Durch die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, gibt es nun eine neue Basis, auf der wir hoffentlich in den kommenden Monaten weitere Öffnungen verantworten können.

Wie geht es den Studierenden? Vor allem denen, die jetzt im zweiten oder dritten Semester sind, die also die Universität noch gar nicht von innen kennen.

Hauke Heekeren: Die Studierenden drängen ganz stark darauf, wieder auf dem Campus studieren zu können. In so vielen Studiengängen stehen diskursive Formate im Mittelpunkt, der Austausch verschiedener Positionen. Wichtig ist natürlich auch, andere Kommilitonen zu treffen, und zwar, sie zufällig treffen zu können, – sei es in der Mensa, einem Café oder anderswo auf unserem wunderschönen Campus.

Andrea Bör: Zu studieren heißt ja nicht nur, Inhalte des eigenen Fachs zu konsumieren. Sondern auch, sich fächerübergreifend zu interessieren und sich persönlich auszutauschen. Das direkte Miteinander gehört einfach zur Studienzeit dazu.

Es gibt natürlich gute Gründe, sich für ein Fernstudium zu entscheiden, zum Beispiel berufsbegleitend, wenn man das will. Aber die Freie Universität ist und bleibt eine Präsenz- und Campus-Universität und als solche wollen wir sie wieder erlebbar machen.

Wie geht es konkret weiter: Was unternimmt die Freie Universität, um sich auf das Wintersemester vorzubereiten?

Andrea Bör: Alle wissenschaftsunterstützenden Bereiche der Universität bereiten seit Monaten das Wintersemester vor: Das betrifft unter anderem die Lehrplanung und die Lehre selbst. Die Personalabteilung stellt zum Wintersemester zusätzliche studentische Tutorinnen und Tutoren ein und schafft damit auch weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für Studierende.

Vor allem die Studierenden, die ihre Universität noch gar nicht kennenlernen konnten, sollen auf diese Weise gut begleitet werden. Die Universitätsbibliothek (UB) mit den Fachbereichs- und Institutsbibliotheken, die in den vergangenen anderthalb Jahren den Ausleihbetrieb aufrechterhalten haben, weitet ihr Angebot aus: Seit ein paar Wochen können die Leseplätze wieder genutzt werden, jetzt wird das Präsenzangebot weiter ausgebaut.

Wir haben in den Hörsälen die Ausstattung für hybride Formate verbessert. Schon vor der Pandemie waren mehrere Hörsäle mit fest installierten Kameras ausgestattet, das Angebot haben wir, wo es sinnvoll war, mit Unterstützung von UB/CeDiS und der Zedat erweitert. Dadurch können Vorlesungen von dort übertragen oder aufgezeichnet werden. Im Wintersemester stehen nun mehr als 100 professionelle Videoconferencing-Systeme bereit.

Was unsere Bauabteilung in den vergangenen 18 Monaten geleistet hat, ist gigantisch. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren permanent auf dem Campus unterwegs, haben beispielsweise Trennwände aufgebaut, Technik installiert, das Bürgertestzentrum oder unsere Impfstelle eingerichtet – neben all der sonstigen Arbeiten, die trotz Pandemie weitergelaufen sind.

Hauke Heekeren: Die Stimmung ist trotz der vielen Anstrengungen sehr gut: Alle sind zwar erschöpft durch drei Semester unter Pandemiebedingungen, aber die Vision, dass wir im Wintersemester wieder auf dem Campus zusammenkommen, verleiht Energie. Das geht durch alle Statusgruppen, durch alle Teile der Verwaltung, die zentralen Services, die Lehrenden, die Studierenden, die Forschenden. Alle wollen sich auf den Weg machen und alles daransetzen, damit wir wieder gemeinsam Universität auf dem Campus erleben.

Hundert Prozent in Präsenz wird es wohl nicht geben: Könnte das zu Unmut führen?

Hauke Heekeren: Natürlich wird es Unterschiede zwischen Studiengängen geben – das liegt vor allem daran, dass sie sich voneinander unterscheiden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gut erklären, warum wir etwas machen. Die Kommunikation ist hier ganz wichtig.

Bör: Jede und jeder soll die Möglichkeit haben, auf den Campus zu kommen. Wir werden uns besonders bemühen, die Erst-, Zweit-, und Drittsemester, die noch nie persönlich an der Freien Universität waren, auf den Campus zu holen. Für welche Vorlesungen und Lehrveranstaltungen wird unterschiedlich sein, je nach Studiengang.

Heekeren: Um es noch einmal deutlich zu sagen: Ein Studium an der Freien Universität Berlin ist ein Präsenzstudium. Wir bitten deshalb alle Studierenden – auch die, die aus anderen Städten oder dem Ausland kommen – sich darauf einzustellen, im Wintersemester wieder in Berlin zu sein. Wir freuen uns auf Sie!

Die Fragen stellten Karin Bauer-Leppin und Stephan Töpper

Weitere Informationen

Pressemitteilung, 23. Juli 2021: Freie Universität erwartet für das Wintersemester weitgehende Rückkehr in den Präsenzbetrieb