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Nasenspray gegen Corona

Biophysiker Daniel Lauster und sein Team arbeiten an einem antiviralen Nasenspray – sie hoffen, dass sich damit COVID-19-Infektionen verhindern lassen

16.02.2023

Kind im Krankenbett mit Fieberthermometer, Nasenspray und einem großen Nasenbärkuscheltier im Vordergrund

Ob Corona- oder Influenzaviren: Antivirales Nasenspray könnte Infektionen vorbeugen.
Bildquelle: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Für zahlreiche Viren ist die Nasenschleimhaut das ideale Einfallstor in den menschlichen Körper. Denn an der Oberfläche der Schleimhautzellen sitzen viele negativ geladene Zuckerketten, an denen sich die positiv geladenen Virusprote­ine über Ladungswechselwirkungen zunächst locker anheften. So bekommt etwa das Coronavirus SARS-CoV2 quasi schon einen Fuß in die Tür, bevor sein Spikeprotein an den ACE2-Rezeptoren auf den Schleimhautzellen bindet. Wenn es nach Daniel Lauster von der Freien Universität Berlin geht, ließe sich diesen und vielen anderen Viren die Tür buchstäblich vor der Nase zuschlagen, indem man ihrer Schleimhaut, einer natürlichen Barriere, ein „Upgrade“ verpasst. Eine Art schleimigen Topper aus kurzen, bifunktionalen Aminosäureketten – Peptiden –, die mit einem Ende an der Nasenschleimhaut haften und mit dem anderen Viren so festhalten, dass sie mit dem Schleim – dem Mucus – über den Rachen einfach heruntergeschluckt und dann von Magensäure zersetzt werden.

Upgrade für die Nasenschleimhaut

MucBoost“ heißt das von der Freien Universität angeführte Projekt, das von der Bundesagentur für Sprunginnovationen Deutschland (SPRIND) nun bereits in der zweiten Förderphase mit rund 1,5 Millionen Euro ein weiteres Jahr finanziert wird. Zum Projektteam gehören neben Daniel Lauster, Jakob Trimpert und Benedikt Kaufer von der Freien Universität auch Christian Hackenberger vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie in Berlin-Buch, Christian Sieben vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, Prisca Boisguerin vom französischen „Institut national de la santé et de la recherche médicale“ (INSERM) in Montpellier sowie die Industriepartner URSATEC und PharmBioTec.

Daniel Lauster beschäftigt sich seit Längerem mit der Synthese von Mucinpeptiden, die sich von natürlichen Schleimmolekülen des Menschen ableiten. „Anfangs interessierten uns eher solche, die Schleim auflösen können. Etwa bei angeborenen Atemwegserkrankungen wie der zystischen Fibrose, die zu zähflüssigem Schleim in der Lunge führt“, sagt der Biophysiker. „Im Lauf der Corona-Pandemie kam uns die Idee, Mucus nicht ab-, sondern aufzubauen.“

Die Virusbindung funktioniert bei allen bisher getesteten SARS-CoV-2-Virus­stämmen

Das kleine Peptid ist 60 Aminosäuren lang und wird samt der virusbindenden Komponente in Bakterien produziert. „Das Tolle ist: Die virusbindende Struktur funktioniert bei allen bisher getesteten SARS-CoV-2-Virus­stämmen, weil sie an einer konservierten Region des Spikeproteins andockt“, betont Daniel Lauster. Der „Virusgreifer“ kann auch ausgetauscht werden, um andere Virusgruppen zu fassen zu kriegen. Neben Coronaviren nimmt das Team Influenzaviren ins Visier, auch breitwirksame antivirale Konzepte sind in der Vorbereitung.

„Der erste Meilenstein ist erreicht: Wir konnten an Pseudoviren demonstrieren, dass die Substanz die Erreger tatsächlich gut bindet.“ Derzeit experimentieren die Forschenden, um den am besten geeigneten Peptid-Kandidaten zu finden. Dazu stellen sie unterschiedliche Varianten im Labor her, die anschließend von Prisca Boisguerin am französischen INSERM auf ihre Spezifität geprüft werden. Die Forscherin wird für das Screening dann an die 1000 Varianten virusspezifischer Peptide auf Zellulose-Oberflächen drucken und entsprechende Virus-Proteine dazugeben, um herauszufinden, welche die Viren am besten einfangen. Diese „Hits“ werden dann an die mucusbindende Kompontente gekoppelt und kommen somit für das Nasenspray zur Schleimverstärkung in Frage.

Veterinärmedizinerinnen und Veterinärmediziner der Freien Universität wollen diese dann im Sicherheitslabor zunächst in vitro mit natürlichen Viren in Kontakt bringen. Anschließend folgen Studien an Hamstern. „Einige Nager werden mit dem Spray vorbehandelt und danach zu infizierten Artgenossen gesetzt. So können wir herausfinden, ob die Schleimhautbehandlung eine Infektion tatsächlich zuverlässig verhindert“, erklärt Daniel Lauster. Mit Nebenwirkungen rechnet der Forscher nicht, da die Mucinpeptide an natürliche, humane Moleküle angelehnt sind. Erhält das Team im Oktober den Zuschlag in einer dritten Förderrunde, soll das Arzneimittel optimiert werden: Über Tröpfchengröße und Zähflüssigkeit lassen sich Verteilung und Eindringtiefe des Sprays kontrollieren.

Schutz bei starker Infektionsgefahr

Daniel Lauster hofft, dass sich mit dem Schleimhaut-Upgrade – anders als mit der Corona-Impfung – die Infektion tatsächlich verhindern lässt. Es ist aber nicht als Alternative zur Impfung gedacht, sondern als Ergänzung für Menschen, die sich schützen wollen – vor allem Personen, die durch ihren Beruf etwa in Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen einer starken Infektionsgefahr ausgesetzt sind und die Viren an vulnerable Personen unwissentlich weitergeben könnten. Ein solches Spray könnte auch in Ländern zum Einsatz kommen, in denen Impfstoffe kaum verfügbar sind. „Studien haben kürzlich ergeben, dass in Zentralafrika die Sterblichkeit durch Rhinoviren, also ganz normale Erkältungsviren, sehr hoch ist“, erläutert Daniel Lauster. „Insbesondere bei Kindern, die zusätzlich mit Malaria infiziert sind, liegt die Sterblichkeit bei 17 Prozent. Und es gibt bisher keine Therapie gegen diese Erreger.“ Ein prophylaktisches Spray, das vieleunterschiedliche Virusstämme zugleich abfängt, wäre also eine gute Idee.

Pläne für eine Ausgründung gibt es auch. Daniel Lauster will einerseits ähnliche Peptidstrukturen auch für andere Organe herstellen, denn Mucus gibt es nicht nur in den Atemwegen, sondern auch in vielen anderen Organsystemen des Körpers, etwa im Magen-Darm-Trakt. Zum anderen möchte Lauster mit dieser Methode auch ganz andere Pathogene dingfest machen – bakterielle Toxine oder Allergene wie Gräserpollen.

Dieser Artikel ist am 19.02.2023 in der Tagesspiegel-Beilage der Freien Universität Berlin erschienen.