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Fragen offensiv ansprechen

Vom 13. bis 17. November 2023 findet an der Freien Universität Berlin zum ersten Mal die „Woche der guten wissenschaftlichen Praxis“ statt.

06.11.2023

Wie viel Bildbearbeitung ist Manipulation? Im Rahmen der Woche über gute wissenschaftliche Praxis hält Tiermedizinprofessor Achim Gruber einen Vortrag zu diesem Thema.

Wie viel Bildbearbeitung ist Manipulation? Im Rahmen der Woche über gute wissenschaftliche Praxis hält Tiermedizinprofessor Achim Gruber einen Vortrag zu diesem Thema.
Bildquelle: Michael Fahrig

Das Programm umfasst Vorträge und Veranstaltungen zur wissenschaftlichen Integrität. Vom 14. bis 16. November besteht zudem die Möglichkeit, sich an Infoständen im Foyer der Mensa II über Beratungsangebote zur guten wissenschaftlichen Praxis zu informieren. Campus.leben sprach mit Thomas Weitner von der Koordinationsstelle für wissenschaftliche Integrität der Freien Universität.

Herr Weitner, warum und für wen wird die Woche der guten wissenschaftliche Praxis veranstaltet?

Die Angebote richten sich an alle Angehörigen der Freien Universität, sind aber auch offen für externe Gäste. Wir rechnen damit, dass hauptsächlich Nachwuchswissenschaftler*innen und fortgeschrittene Studierende kommen, aber wir freuen uns natürlich, wenn auch Hochschullehrer*innen Zeit finden, sich das ein oder andere anzuschauen.

Das Format einer Aktionswoche haben wir gewählt, um mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Wir stellen häufig fest, dass Wissenschaftler*innen unsicher sind, was die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis genau besagen, und dass es manchmal sogar Berührungsängste gibt. Dem wollen wir mit der Veranstaltung entgegentreten.

Thomas Weitner betreut zusammen mit Britta Anstötz die Koordinationsstelle für wissenschaftliche Integrität der Freien Universität.

Thomas Weitner betreut zusammen mit Britta Anstötz die Koordinationsstelle für wissenschaftliche Integrität der Freien Universität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Wer hat die Aktionswoche organisiert und die Themen ausgewählt?

Die Organisation liegt bei der Koordinationsstelle für wissenschaftliche Integrität, also bei meiner Kollegin Britta Anstötz und mir. Das Feld der wissenschaftlichen Integrität ist ja unheimlich breit und daher haben wir Schwerpunkte bei Themen gesetzt, die gerade aktuell sind: Etwa Bildbearbeitung und -manipulation, was besonders für die Natur- und Lebenswissenschaften relevant ist, und natürlich den Umgang mit KI-Tools wie chatGPT, was uns alle betrifft.

Mein persönliches Highlight ist der Eröffnungsvortrag, für den wir Stephan Rixen gewinnen konnten. Er ist Professor für Staatsrecht an der Universität zu Köln, Mitglied des Deutschen Ethikrats und war von 2016 bis 2022 Sprecher des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingesetzten Gremiums „Ombudsman für die Wissenschaft“. Gerade durch dieses letztgenannte Amt hat er natürlich sehr viel Erfahrung im Bereich der guten wissenschaftlichen Praxis.

Mit der Einladung von Herrn Rixen packen wir gewissermaßen den Stier bei den Hörnern: Herr Rixen stellte anlässlich des Verfahrens zur Überprüfung der Dissertation von Franziska Giffey in einem Artikel für die F.A.Z. die Frage, ob es grundsätzlich eine gute Idee sei, wenn Universitäten mögliche Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis in ihren eigenen Reihen selbst untersuchen. Dieser Frage wird er auch in seinem Vortrag nachgehen und ich persönlich bin schon sehr gespannt auf die anschließende Diskussion.

Eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Machtmissbrauch in der Wissenschaft: Ein Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis?“ schließt die Woche ab. Über Machtmissbrauch wird gerade viel geredet, aber oft wird gar nicht klar, was damit gemeint ist. Nicht jede Form von Machtmissbrauch in der Wissenschaft ist auch ein Problem guter wissenschaftlicher Praxis. Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie hat dazu im Sommer einen interessanten Bericht vorgelegt, der sicher auch Gegenstand der Diskussion sein wird. Neben den Ursachen für Machtmissbrauch, wie z.B. Anreizstrukturen, wollen wir auch über Lösungswege sprechen: An welchen Stellschrauben im Wissenschaftssystem müssten wir ansetzen,, damit sich Dinge zum Besseren ändern?

Die Koordinationsstelle hat im September einen „Jahresbericht zur guten wissenschaftlichen Praxis 2022“ veröffentlicht, der ein möglichst umfassendes Lagebild zeichnen soll. Der Bericht beschreibt Maßnahmen zur Prävention wissenschaftlichen Fehlverhaltens und liefert Zahlen zu Verdachtsfällen und Entziehungsverfahren. Welches sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht?

Die erste Erkenntnis: Es ist eine gute Idee, so etwas zu tun. Außer der Universität Göttingen veröffentlicht meines Wissens keine andere Universität in Deutschland einen solchen Bericht und wir sind mit unserem Vorhaben zunächst auf einige Vorbehalte gestoßen. Mit dem Argument der Transparenz konnten wir jedoch überzeugen. Denn wie sollen wir effektiv Probleme angehen, wenn wir nicht offen darüber sprechen, wo sie liegen? Ich freue mich jedenfalls sehr, dass es diesen Bericht nun gibt und in Zukunft jährlich geben wird.

Es ist allerdings – und das ist meine zweite Erkenntnis – eine Statistik der kleinen Zahlen. Wir können daraus noch nicht belastbar ablesen, wo Probleme liegen – das wäre auf Grundlage eines einzigen Berichts vermessen. Aber wir können unsere Erkenntnisse mit aller gebotenen Vorsicht vergleichen, zum Beispiel mit dem deutschlandweiten Bericht des Ombudsman für die Wissenschaft. Da gibt es Übereinstimmungen, zum Beispiel in der Hinsicht, dass die meisten Hinweise von Nachwuchswissenschaftler*innen kommen. Es gab aber auch eine Überraschung: Konflikte zur Autorschaft gab es an der Freien Universität im Berichtszeitraum kaum, im Bericht des Ombudsman für die Wissenschaft bilden sie die häufigste Kategorie. Wir glauben allerdings nicht, dass es bei uns keine Konflikte dieser Art gibt. Vielleicht fehlt noch das Bewusstsein dafür, dass man sich damit bei zentralen oder dezentralen Ombudspersonen melden kann oder die Konflikte werden mit anderen Mitteln gelöst. Wir sind am Anfang eines längeren Weges und werden die Entwicklung weiter beobachten.

Die Fragen stellte Marion Kuka

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