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Sternendeuter

Was sagt die antike Astrologie über die Zukunft der Freien Universität? Professor Mathieu Ossendrijver und sein Team haben anlässlich des 75. Geburtstags der Hochschule in den Sternen gelesen

03.12.2023

Die synthetische babylonische Tontafel mit dem Horoskop der Freien Universität Berlin fertigte und beschrieb Alessia Pilloni nach babylonischen Beispielen.

Die synthetische babylonische Tontafel mit dem Horoskop der Freien Universität Berlin fertigte und beschrieb Alessia Pilloni nach babylonischen Beispielen.
Bildquelle: Alessia Pilloni 

Die horoskopische Astrologie entstand im 5. Jh. v. Chr. in Babylonien. Babylonische Gelehrte führten den Tierkreis mit zwölf Zeichen ein und entwickelten eine astrologische Lehre, wonach die Zukunft eines Menschen aus den Tierkreispositionen von Mond, Sonne und der fünf Planeten zur Zeit der Geburt abgeleitet werden kann – also Merkur, Venus, Mars, Jupiter, und Saturn.

Die horoskopische Astrologie verbreitete sich von Babylonien aus nach Ägypten und in die griechisch-römische Welt. Die Positionen der Gestirne wurden nicht beobachtet, sondern berechnet. Das ist daran erkennbar, dass an einem Tag nicht alle Planeten sichtbar sind. Die Erstellung eines Horoskops erforderte also umfangreiche mathematische Berechnungen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die horoskopische Astrologie so erfolgreich über die antike Welt verbreiten konnte. 

Grundlage für die Erstellung eines Horoskops ist das Geburtsdatum. Als Geburtsdatum der Freien Universität nehmen wir das Gründungsdatum, 4. Dezember 1948, als hypothetische Geburtszeit 11:00 MEZ. Die Positionen der Gestirne zu diesem Datum waren: Mond – 26º Steinbock, Sonne – 12 º Schütze, Merkur - 8º Schütze, Venus 10º Skorpion, Mars – 6º Steinbock, Saturn 6º Jungfrau, Jupiter – 4º Steinbock. 

„Er wird arm, erkranken, sterben.“ „Ihm wird es gut gehen, er wird den Untergang seines Gegners erleben“

Wie würde ein babylonischer Astrologe das Horoskop deuten? Für bestimmte Konfigurationen von Planeten und Tierkreiszeichen gibt es Sammeltafeln mit Vorhersageregeln. Die einzelnen Vorhersagen sind zum Teil widersprüchlich.

Wie ein babylonischer Astrologe daraus eine Gesamtdeutung des Horoskops ableiten würde, ist deshalb nicht klar. Für die Konfiguration Mond, Mars, Jupiter in Steinbock gilt: „Er wird arm, erkranken, sterben.“ Diese Regel aus einer Sammlung von Todesvorhersagen verspricht also nicht viel Gutes.

Am 4. Dezember 1948 war Jupiter nachts sichtbar, Mars unsichtbar. Daraus folgt: „Ihm wird es gut gehen, er wird den Untergang seines Gegners erleben“. Diese Regel verspricht Gutes für die Freie Universität, Schlechtes für ihren „Gegner“ – wobei der noch zu identifizieren wäre. 

Vergleichsweise gut bekannt sind die Regeln, wonach ein Horoskop in der griechisch-römischen Welt gedeutet wurde, nämlich aus astrologischen Handbüchern. Demnach gilt für Jupiter, Mars, und Mond in Konjunktion (das heißt im gleichen Zeichen): „Kluge Staatsdiener mit vielen Freunden, die aus bescheidenen Anfängen zu großen Dingen aufsteigen, Vertrauen gewinnen und dann ihre Aufgaben übernehmen. Sie erleiden möglicherweise Verluste, erholen sich aber dank göttlicher Hilfe.“ Sonne und Merkur in Konjunktion: „Flexibilität, Menschenverstand, Urteilsvermögen für Karriere im öffentlichen Leben, Liebe zur Schönheit, Einweihung in göttliche Lehren, Ausdauer von Widrigkeiten.“ 

Hingegen Saturn und Merkur im Quadrataspekt, also Zeichen, die um 90 Grad voneinander getrennt sind: Diese sind in der griechisch-römischen Astrologie negativ konnotiert. So heißt es: „Er wird mit Verwaltungspflichten und Angriffen von Neidern belastet sein.“ 

75 Jahre später lässt sich sagen: Es ist – sowohl babylonisch als auch griechisch-römisch – von allem etwas dabei. Nun ist es an „klugen Staatsdienern“ – und -dienerinnen! –, die nächsten 75 Jahre zu lenken. Dass die Konkurrenz nicht schläft – also immer auch „Angriffe von Neidern“ drohen –, ist für eine Hochschule, die im Wettbewerb steht und wie die Freie Universität in der Exzellenzinitiative erfolgreich ist, ein ständiger Ansporn.