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„Wir wollen im offenen Austausch sein“

Zwölf Politiker*innen folgten der Einladung von Professor Jörg Aschenbach, Prodekan für die Lehre am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin, zum „Initiativtag modellgestützte Lehre“

12.10.2022

Einblick in die modellgestützte Lehre: Studierende der Veterinärmedizin trainieren die Epiduralanästhesie, ein Verfahren zur Betäubung von Rückenmarksnerven, am Modell eines Beckenknochens vom Rind.

Einblick in die modellgestützte Lehre: Studierende der Veterinärmedizin trainieren die Epiduralanästhesie, ein Verfahren zur Betäubung von Rückenmarksnerven, am Modell eines Beckenknochens vom Rind.
Bildquelle: Friederike Wenthe

Gemeinsam mit den Gästen sollten der Einsatz von Versuchstieren in der veterinärmedizinischen Ausbildung und die Fortschritte beim Einsatz von Tiermodellen im Studium besprochen werden. Vor Ort informierten sich die Politker*innen in fünf Vorträgen über den aktuellen Stand und diskutierten angeregt mit den Vertreter*innen des Fachbereichs über Herausforderungen, Ziele und Grenzen der modellbasierten Lehre. Veranschaulicht wurde dies bei einem Rundgang über den Campus zu vier Stationen eines weitestgehend modellbasierten Notfallkurses, bei dem sie Studierenden des achten Fachsemesters über die Schulter schauen konnten.

Professor Uwe Rösler, Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin, begrüßte die Gäste – unter ihnen Staatssekretär*innen, Mitglieder des Bundestages, des Berliner Abgeordnetenhauses und der Senatsverwaltung – im Hörsaal der Pferdeklinik und führte in die Thematik ein. Professorin Christa Thöne-Reineke, Tierschutzbeauftragte der Freien Universität Berlin, Professor Jörg Aschenbach, Prodekan für Lehre am Fachbereich Veterinärmedizin, und Fabienne Eichler, Mitarbeiterin des Veterinary Skills Net, gaben einen tieferen Einblick zum Thema 3R-Prinzip im Tierschutz und zu den Tierversuchen im Studiengang Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin. Kritische Nachfragen der Teilnehmenden führten zu einer gewünschten und sehr angeregten Diskussion. „Das ist genau das, was wir forcieren möchten: Wir wollen ehrlich kommunizieren und einen offenen Austausch. Der Initiativtag ist ein erster Schritt in diese Richtung“, betonte Christa Thöne-Reineke.

In Kleingruppen besuchten die Teilnehmenden Stationen des Notfall-Kurses in der Tierklinik für Fortpflanzung, der Klinik für Klauentiere, der Pferdeklinik sowie der Kleintierklinik.

Herausforderungen und Grenzen der modellgestützten Lehre aufgezeigt

„Ich freue mich sehr, dass die Politikerinnen und Politiker sich den ganzen Vormittag dafür Zeit genommen haben, sich mit diesem nicht unumstrittenen Thema hier vor Ort zu befassen und in den Dialog mit uns zu treten“, resümiert Jörg Aschenbach. „Unsere Erwartungen an die Veranstaltung wurden erfüllt. So konnten wir nicht nur auf unsere großen Anstrengungen aufmerksam machen, die modellbasierte Lehre als aktiven Tierschutz auszuweiten, sondern auch verdeutlichen, dass dies mit hohen Zusatzkosten und personellen Ressourcen verbunden ist“, so Aschenbach. „Erschwert werden unsere Bemühungen zudem durch eine unbefriedigende Marktsituation: Kommerzielle Modelle sind nicht nur extrem teuer, sondern bilden die anatomischen Verhältnisse häufig mangelhaft wider, sind aufwändig beschaffbar und verschleißen oft schnell.“

Darüber hinaus betonten einige Kolleg*innen, dass die modellgestützte Lehre im Wesentlichen ein Refinement ist, das die Studierenden auf die Arbeit am Tier vorbereitet und sie später dann entsprechend sicherer agieren lässt. Es handele sich nicht um ein Replace, das heißt, eine vollständige Vermeidung des Einsatzes von Tieren im Studium, wie seitens einiger Politiker*innen zuletzt vermehrt gefordert. Vielmehr wird es aus Sicht der Redner*innen auch weiterhin erforderlich sein, angehende Tiermediziner*innen am Tier selbst auszubilden – was rechtlich gesehen aktuell ein Tierversuch ist. „Eine Vision vom tierversuchsfreien Studium der Veterinärmedizin – wie sie vermutlich große Unterstützungsbereitschaft in der Politik hervorrufen könnte – wäre einfach nicht ehrlich“, stellt Jörg Aschenbach auf Nachfrage eines Teilnehmers klar. Zum Einen sei dies aufgrund entsprechender rechtlicher Regelungen, etwa der Verordnung zur Approbation von Tierärzt*innen, und Qualitätsstandards nicht möglich. Darüber hinaus „bleibt in einem verantwortungsvollen Ausbildungskonzept die Ausbildung am trainierten, gesunden Tier unverzichtbare Brücke zum Patienten: aus lerndidaktischen, Unfallschutz- und auch aus Tierschutzgründen ist dies geboten.“

Positives Fazit aus der Politik

Armaghan Naghipour, Staatssekretärin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, stellt im Anschluss an den Initiativtag anerkennend fest: „Mit dem verstärkten Einsatz der modellgestützten Lehre leistet die Freie Universität Berlin nicht nur einen erheblichen Beitrag zum Tierschutz, sondern stärkt auch ganz wesentlich die qualitative Weiterentwicklung der veterinärmedizinischen Ausbildung in Berlin.“ Auch Markus Kamrad, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz Berlin, resümiert nach der Veranstaltung positiv: „Der Initiativtag modellgestützte Lehre hat aufgezeigt, dass es in vielen Bereichen des Studiums der Veterinärmedizin bereits gute Alternativen zum Versuch am lebenden Tier gibt – aber auch wo die Herausforderungen liegen. Gemeinsam mit der Wissenschaftsverwaltung wird die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz daran arbeiten, dass wir bei der Vereinbarkeit von guter Lehre und Forschung mit dem Tierschutz in der laufenden Legislaturperiode weitere Schritte gehen.“

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