Springe direkt zu Inhalt

Die Krise in der Nachbarschaft der Europäischen Union

Forscherinnen und Forscher der Freien Universität untersuchen, warum die Europäische Union mit der „Östlichen Partnerschaft“ in den postsowjetischen Staaten nicht dauerhaft für Frieden und Wohlstand sorgen konnte

22.05.2017

Pro-EU-Demonstration in Kiew am Tag vor dem Beginn des dritten Gipfeltreffens der Östlichen Partnerschaft Ende November 2013.

Pro-EU-Demonstration in Kiew am Tag vor dem Beginn des dritten Gipfeltreffens der Östlichen Partnerschaft Ende November 2013.
Bildquelle: Evgeny Feldman, CC BY-SA 3.0

Esther Ademmer forscht am Otto-Suhr-Institut über die Krise in der Nachbarschaft der Europäischen Union.

Esther Ademmer forscht am Otto-Suhr-Institut über die Krise in der Nachbarschaft der Europäischen Union.
Bildquelle: Privat

Als die Europäische Union (EU) im Jahr 2008 das Programm der Östlichen Partnerschaft mit Armenien, Aserbaidschan, Georgien, der Republik Moldau, Ukraine und Weißrussland ins Leben rief, war die Hoffnung auf politische Transformation groß. Allerdings hat sich bislang in keinem der Länder die Partnerschaft mit der EU nachhaltig positiv auf Frieden, Wohlstand und Stabilität ausgewirkt.

In einem von der Politikwissenschaftlerin Tanja Börzel koordinierten Forschungsprojekt an der Freien Universität suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Ursachen dafür. Sie fragen außerdem, welche Möglichkeiten es gibt, die Ziele in Zukunft noch zu erreichen. Das Projekt „EU-STRAT – The EU and Eastern Partnership Countries. An Inside-Out Analysis and Strategic Assessment” ist eine internationale Kooperation von elf Universitäten und Forschungsinstituten – dazu gehören neben Partnern aus der Europäischen Union und der Schweiz auch Partner aus Moldau, der Ukraine und Weißrussland. Die promovierte Politikwissenschaftlerin Esther Ademmer vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität ist zuständig für die wissenschaftliche Koordination des Projektes.

Die Europäische Union habe die Nähe der ehemaligen Sowjetstaaten zu Russland unterschätzt, sagt Esther Ademmer: „So groß das Interesse an einer positiven Beziehung zur Europäischen Union ist, so sehr sind Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau, Ukraine und Weißrussland – wenn auch in unterschiedlichem Maße – an einem guten Verhältnis zu Russland interessiert.“ Die Staaten seien oft ökonomisch vom großen Nachbarn abhängig, aber auch mit anderen Staaten eng verbunden, darunter die Türkei und die USA. „In bisherigen Analysen wurde die Rolle der EU überbewertet“, sagt die Politikwissenschaftlerin, „unser Ansatz ist es, die Perspektiven der einzelnen Staaten zu betrachten.“ Dazu gehöre eine gemeinsame Analyse der wirtschaftlichen und politischen Systeme. „Wir wollen wissen, welche Anreize innerstaatliche Eliten haben, politische Reformen umzusetzen“, sagt Ademmer.

Ausgangspunkt ist ein Forschungsansatz des US-Ökonomen Douglass North. Nach diesem werde unterschieden zwischen „Limited Access Orders“, in denen politische Eliten die Wirtschaft kontrollieren, und „Open Access Orders“, die von politischem und ökonomischem Wettbewerb geprägt sind. „Limited Access Orders“ seien in der Regel in Entwicklungsländern anzutreffen, während „Open Access Orders“ typisch für Industriestaaten der westlichen Welt seien. North habe zwei Pole beschrieben, Ziel des EU-STRAT-Projektes sei es nun, den Bereich dazwischen zu klassifizieren. „Ziel ist es dadurch die Systeme der Länder in Eurasien besser beschreiben zu können, die zwischen Limited Access und Open Access anzuordnen sind“, sagt Ademmer.

De facto kein politischer Wettbewerb

Es gebe in den betroffenen Ländern zwar formal einen politischen Wettbewerb, de facto finde er aber nur begrenzt statt. „Die dortigen Eliten haben kein großes Interesse an freien und fairen Wahlen“, konstatiert Esther Ademmer. Das sei allerdings nicht gleichzusetzen mit Diktaturen, in denen Veränderungen nahezu ausgeschlossen sind. „Wir wollen genau analysieren, wer die Akteure sind, die in den Staaten der östlichen Nachbarschaft für politischen Wettbewerb eintreten könnten – und wie man diese stärken kann“, erklärt Ademmer.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen nicht nur die Situation in diesen Staaten verstehen, sondern auch Einflussmöglichkeiten seitens der Europäischen Union ausloten. Das gilt für die Politik ebenso wie für die Wirtschaft. Dabei soll etwa konkret untersucht werden, wie Korruption abgebaut werden kann oder Monopole verhindert und oligarchische Wirtschaftsformen zu fairerem Wettbewerb gebracht werden können. „Wir wollen herausfinden, wo dort die Einfallstore für externen Einfluss liegen um Staaten in ihrer Entwicklung zu Open Access Orders zu unterstützen“, sagt Ademmer, „aber es ist natürlich auch ein politischer Willen nötig, diese zu nutzen.“

Weitere Informationen

Dr. Esther Ademmer, Otto-Suhr-Institut, Freie Unversität, Tel.: +49 30 - 838-61027, E-Mail: esther.ademmer[at]fu-berlin.de