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„Streitet mit mir!“

14.12.2022

Ein Gespräch mit Informatikprofessor Jochen Schiller über seine neue Tätigkeit als Chief Information Officer der Freien Universität Berlin

Professor Jochen Schiller

Professor Jochen Schiller
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Er hat zu Kommunikationskonzepten für kritische Netzwerkinfrastrukturen geforscht und die Bundesregierung zum IT-Sicherheitsgesetz und Bundeswarntag beraten. Nun engagiert sich Jochen Schiller, Professor für technische Informatik an der Freien Universität Berlin, als Chief Information Officer (CIO) für das Gelingen von FUtureIT, dem Projekt für eine service- und zukunftsorientierte IT an der Freien Universität Berlin.

Was können Sie aus Ihrer Forschungs- und Beratungstätigkeit für die Arbeit als Chief Information Officer, kurz CIO mitnehmen?

Professor Jochen Schiller: Meine Devise lautet: Ruhe bewahren – egal, wie komplex die Situation ist. Ich habe gelernt, Herausforderungen strukturiert anzugehen. Das bedeutet, zunächst zu verstehen, wie Strukturen entstanden sind, bevor man sie verändert. Wer antritt und behauptet, alles besser zu wissen, erzeugt nur Abwehrhaltung.

Sie klingen wie ein Reformer. Aber ist erfolgreiche IT nicht revolutionär? Die großen Tech-Konzerne feiern sich als Disruptoren, als Meister der schöpferischen Zerstörung.

Jochen Schiller: Natürlich muss man Systeme verändern. Besonders in der IT gilt: Nichts ist für die Ewigkeit gemacht. Dennoch hat alles hat seine Geschichte. Die muss verstehen, wer andere mitnehmen und motivieren will.

Was macht eigentlich ein Chief Information Officer?

Jochen Schiller: Ein CIO kümmert sich um strategische IT-Fragen. Als CIO der Freien Universität Berlin verstehe ich mich als Übersetzer zwischen dem Präsidium, das die Ziele vorgibt, und dem Alltagsgeschäft. Es braucht jemanden, der Sorgen und Nöte sammelt und daraus Vorschläge an die Hochschulleitung ableitet. Und umgekehrt Entscheidungen des Präsidiums erklärt. Man könnte auch sagen: Ein CIO ist eine Art Moderator in IT-Fragen.

In Ihrer Amtszeit als Vizepräsident der Freien Universität Berlin waren Sie schon einmal CIO.

Jochen Schiller: Damals war ich als Vizepräsident zugleich CIO. Heute ist das ein eigenständiger Job. Das zeigt, wie die Bedeutung der IT an der Freien Universität Berlin gewachsen ist. Wir haben gemerkt: Genauso wie wir etwa einen Datenschutzbeauftragten brauchen, der sich auf sein Amt konzentrieren kann, brauchen wir einen eigenständigen CIO.

Was wollen Sie zuerst anpacken?

Jochen Schiller: Mir ist wichtig zu vermitteln, dass FUtureIT allen Angehörigen der Freien Universität nutzt. Es wird eine zentrale Ansprechstelle für IT-Fragen geben und mehr Transparenz. Jede und jeder wird sehen können, wo das eigene Anliegen bearbeitet wird, was der Stand ist und warum es vielleicht noch nicht gelöst ist. Aber selbstverständlich wollen wir auch schneller werden.

Kommen wir zu Wissenschafts-IT und die Berlin University Alliance, kurz BUA, der Exzellenzverbund der drei großen Berliner Universitäten und der Charité: Was sind da Ihre Pläne?

Jochen Schiller: FUtureIT definiert Wissenschafts-IT als Bereich mit besonderen Anforderungen. Hier sind maßgeschneiderte Lösungen gefragt. Für ihre Forschung benötigen Wissenschaftler*innen oft Zugriffsrechte, die bei Standardprozessen wie klassischen Bürotätigkeiten nicht nötig sind.

Was bedeutet das für den Beitrag der Freien Universität Berlin zur Berlin University Alliance?

Jochen Schiller: Um noch mehr zur Berlin University Alliance beitragen zu können, muss die Freie Universität Berlin noch leistungsfähiger in der Wissenschafts-IT werden. Dazu setzen wir auf Synergien mit unseren Partnerorganisationen: Wir können von ihnen lernen und müssen nicht alles selbst machen. Umgekehrt können auch wir unseren Partnern Lösungen anbieten. Eine Stärke der Freien Universität Berlin ist etwa das Beschaffungswesen. Da haben wir bereits viele Prozesse vereinheitlicht und automatisiert. Ich kann etwa am Smartphone eine Anschaffung abzeichnen. Wir haben die Technische Universität bei der Installation ihrer Telefonanlage unterstützt und von der FU entwickelte Software zur Verfügung gestellt. Die Technische Universität betreibt wiederum für uns den Cloud-Speicher.

Wie schätzen Sie Stand, Leistung und Herausforderungen der IT-Umstrukturierung an der Freien Universität Berlin ein?

Jochen Schiller: Qualifikation und Motivation der Mitarbeitenden sind hoch, unsere IT-Fachkräfte sind deshalb auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt. Um sie zu halten, müssen wir als Arbeitgeberin noch attraktiver werden. Wir wollen künftig noch stärker mit attraktiven Arbeitsbedingungen überzeugen, Möglichkeiten zur Vernetzung und individuellen Weiterentwicklung anbieten, Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausbauen.

Wie sehen Sie bei all dem Ihre Rolle in Ergänzung zur neuen Leitung der IT?

Jochen Schiller: Die neue IT-Leitung ist für das operative Geschäft zuständig. Da werde ich als CIO nicht reinreden. Die neue Leitung braucht Freiraum. Ich werde sicher keine Detailvorgaben zu Softwarelösungen oder Mitarbeitenden machen.

Was können Sie dann zum Gelingen der neuen Zentraleinrichtung beitragen?

Jochen Schiller: Meine Rolle wird sein, der Leitung den Rücken freizuhalten. Wer immer Kritik an FUtureIT hat, dem rufe ich zu: Streitet mit mir, aber bitte möglichst nicht mit denen, die jeden Tag den Laden am Laufen halten! Denn dann werden Mitarbeitende unglücklich und gehen irgendwann.

Veränderungsprozesse können Unsicherheit auslösen. Was ist Ihre Botschaft an IT-Mitarbeitende der Freien Universität Berlin?

Jochen Schiller: Wir haben FUtureIT über Jahre gemeinsam und mit Unterstützung des Präsidenten entwickelt. Dennoch können in der Umsetzung Probleme entstehen, mit denen niemand gerechnet hat. Wenn etwas nicht klappt, können wir nachsteuern. Am Ende werden die Nutzenden der IT zufriedener sein als heute, und das wird auch die Mitarbeitenden zufriedener machen.