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"Wir wünschen uns, dass der Q-Master auch nach Auslaufen des Projekts zum Regelangebot der Freien Universität gehören wird."

Im Gespräch mit den Professor*innen und Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen des Q-Masters

15.04.2020

Im Gespräch

Im Gespräch
Bildquelle: Annekatrin Lietz

Die Freie Universität Berlin hat vor viereinhalb Jahren, im Wintersemester 2016/2017, als erste Berliner Universität einen Masterstudiengang für Lehramtsstudierende eingerichtet, die nicht über die notwendigen Voraussetzungen für das Regelstudium verfügen, weil sie z.B. nur ein Fach studiert haben. Sie können stattdessen in einem speziellen Studiengang, dem Master of Education mit Profil Quereinstieg, ihren Abschlusserwerben.

„Auf einen Kaffee mit K2teach“ und Dr. Eva Terzer, Geschäftsführerin der Dahlem School of Education, treffen sich heute mit Team-Mitgliedern des Q-Masters: Prof. Daniela Caspari, Novid Ghassemi, Julia Milster, Prof. Volkhard Nordmeier und Maike Wäckerle und beleuchten verschiedene Aspekte dieses besonderen Studiengangs.

4 Jahre Q-Master an der Freien Universität Berlin. Was hat sich verändert?

Nordmeier: Nach meiner Wahrnehmung hat sich mit der Einführung des Q-Masters schon viel verändert. Wir sind zwar noch in der Erprobungsphase dieses neuen Studiengangs, aber die Rückmeldungen innerhalb und außerhalb der Hochschule sind jetzt schon sehr positiv. Auch die Akzeptanz für dieses neuartige Studienmodell seitens der Studierenden und Lehrenden ist sehr hoch. Ich werde sogar häufig gefragt, warum wir diesen Modellversuch nicht schon viel früher gestartet haben. Dabei ist Vielen gar nicht klar, dass der Q-Master noch in der Erprobung ist und wir nun erst in die Diskussionen um eine mögliche Verstetigung dieses Angebots eintreten.

Milster: Der Q-Master ist seit den 4 Jahren in ständiger Weiterentwicklung. Die Menschen, die wir mit diesem Programm ansprechen, sind unglaublich vielfältig in ihren Vorerfahrungen und mitgebrachten Studiengängen. Vielfältiger als ich mir am Anfang vorstellen konnte. Damit wir für alle eine möglichst sinnvolle, individuelle Qualifizierung innerhalb des Q-Masters anbieten können, haben wir die Zugangssatzung und Studien- und Prüfungsordnungen über die Jahre immer wieder angepasst und das werden wir auch weiterhin machen. Wir lernen mit jedem Jahr dazu und versuchen an geeigneter Stelle darauf zu reagieren.

Caspari: Der Q-Master hat sich etabliert. Er ist als Alternative zu den Quereinstiegsangeboten der Senatsverwaltung bekannt und ist innerhalb der Universität als Lehramtsstudiengang so anerkannt, dass an der Freien Universität zwei weitere Quereinstiegsstudiengänge eingerichtet wurden bzw. werden: einer in Kooperation mit der Universität der Künste und einer für „Umsteiger*innen“ mit der häufig gewählten Fächerkombination Deutsch und Geschichte für Integrierte Sekundarschule/Gymnasium (kurz: ISS/GYM in einen Masterstudiengang für das Lehramt Grundschule.

 

Was waren die größten Hürden bei der Konzeption des Studiengangs?

Caspari: Am schwierigsten war es, die Standards der Kultusministerkonferenz (kurz: KMK) für die Lehrer*innenbildung und des Berliner Lehrkräftebildungsgesetzes zu erfüllen und gleichzeitig genügend Raum, d.h. genügend Leistungspunkte, für das nachzuholende fachwissenschaftliche Studium zu reservieren. Außerdem unterscheiden sich die Studierenden mit MINT -Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), die meistens ein Fach komplett mitbringen, von Studierenden in den Sprachen und in Geschichte, die meistens bereits Anteile aus beiden Fächern studiert haben.

Prof. Dr. Volkhard Nordmeier & Dr. Eva Terzer

Prof. Dr. Volkhard Nordmeier & Dr. Eva Terzer

Milster: Ja, diese unterschiedlichen Fälle in nur einer einzigen Studienordnung unter einen Hut zu bekommen, war wirklich eine Herausforderung.

Nordmeier: Ich kann mich gut an die teilweise recht kontroversen Diskussionen innerhalb der Freien Universität im Vorfeld der Einführung des Q-Masters erinnern. Wir erproben mit diesem Studiengang ja einen alternativen Weg in das Lehramt. Und die Einführung eines Lehramtsmasters, der nicht auf einem lehramtsbezogen Bachelor aufbaut, ist schon eine echte Innovation. Häufig wurde kritisch hinterfragt, ob das überhaupt gelingen kann.

Was bringen die Q-Master Studierenden mit?

Milster: Ich bin immer fasziniert davon, wie motiviert viele Q-Masterstudierenden sind. Besonders in den MINT-Fächern hätten auch viele die Möglichkeit, den Quereinstieg über die Senatsverwaltung zu nutzen. Sie entscheiden sich aber ganz bewusst noch einmal für ein Studium. Sie wollen explizit eine fundierte Ausbildung im Fach, in den Fachdidaktiken und in der Erziehungswissenschaft. Viele haben pädagogische Erfahrungen, haben aber gemerkt, dass sie in der Praxis an ihre Grenzen kommen und wünschen sich hier weiteres Wissen und Theorie. Dieser Wunsch unterscheidet sie damit von vielen grundständigen Lehramtsstudierenden, die gerne mehr Praxis hätten.

Ghassemi: Das Spektrum fachwissenschaftlicher Voraussetzungen, welches die Studierenden für die Fächer Informatik, Mathematik und Physik mitbringen, ist breiter als erwartet. Natürlich verfügen alle Studierenden über das erforderliche Mindestmaß an Fachwissen im Erstfach, darüber hinaus bringen sie allerdings nicht selten weiteres Wissen und Erfahrungen mit. Die fachlichen Vorleistungen der Q-Masteranden können so vom Ein-Fach-Bachelor- über den Masterabschluss bis hin zur Promotion reichen.

Wäckerle: Unsere Q-Masterstudierenden weisen vielfältige berufsbiografische Erfahrungen und akademische Qualifikationen auf. Sie bringen ein hohes Maß an Eigeninitiative mit und sind in der Regel sehr offen für die Aneignung neuer Wissensbestände und die Reflexion bestehender Handlungsmuster. Im Vergleich zu den Studierenden des grundständigen Lehramtsstudiums verfügen die Q-Masterstudierenden über mehr Lebens-, Berufs- und Studienerfahrung. Sie können daher im Q-Masterstudium auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Neuland betreten sie hingegen in der Fachdidaktik und den Erziehungswissenschaften.

Was gibt es für spezielle Herausforderungen die Studierenden betreffend?

Caspari: Die Q-Masterstudierenden müssen in aller Regel einer Erwerbstätigkeit nachgehen, oft haben sie eine Familie zu versorgen. Dies bedeutet für sie nicht nur eine Doppelbelastung, oft ist es für sie auch schwierig, die Lehrveranstaltungen zu besuchen, insbesondere, wenn es keine Parallelveranstaltungen gibt. Außerdem fehlen ihnen zumeist die erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Veranstaltungen des Bachelors, in denen über drei Jahre hinweg nicht nur Wissen aufgebaut wird, sondern auch eine Distanzierung von den so prägenden Lernerfahrungen als Schüler*in stattfindet. Dies alles müssen sie in den ersten beiden Mastersemestern und nicht selten auch noch im Praxissemester nachholen.

Milster: Die Studierenden bekommen alle individuelle Studienpläne. Daher müssen wir uns sehr genau mit jedem einzelnen Fall auseinandersetzen. Wir wollen schließlich, dass die Studierenden einen KMK-konformen Abschluss haben. Wir müssen schauen, dass dann das Studienprogramm auch studierbar ist, also sich auf alle Semester einigermaßen gleichmäßig verteilt oder es nicht Überschneidungen von Pflichtkursen gibt. Daher können einzelne Fälle beratungsintensiv werden, da nicht immer alles klappt, wie geplant. Aber bisher haben wir da immer eine Lösung gefunden.

Wäckerle: Ich denke, dass die Frage nach der Vereinbarkeit von Studium und Erwerbstätigkeit in hohem Maße für unsere Q-Masterstudierenden relevant ist. Da es sich um ein Zweitstudium handelt, gibt es leider sehr wenig finanzielle Fördermöglichkeiten. Ich finde es sehr mutig, in einer späteren Lebensphase – das durchschnittliche Alter der Q-Masterstudierenden ist Mitte 30 – noch einmal ein Studium aufzunehmen und dafür Vieles aufzugeben, ohne die Sicherheit zu haben, dass das Ziel, Lehrer*in zu werden, auch am Ende erreicht wird.

Julia Milster, Maike Wäckerle & Novid Ghassemi-Tabrizi (v.l.)

Julia Milster, Maike Wäckerle & Novid Ghassemi-Tabrizi (v.l.)

Welche spezifischen Schwerpunkte gibt es bei der Forschung über den Studiengang?

Ghassemi: Neben der Gesamtevaluation des Q-Masters fokussiert die Begleitforschung derzeit exemplarisch auf das Fach Physik. Dort erheben wir mit Fragebögen zu Beginn und Ende des Masterstudiums das fachdidaktische Wissen, das Fachwissen und die Überzeugungen der Studierenden zum Lehren und Lernen im Fach. Als Vergleichsgruppe dienen jeweils die Studierenden des Regelmasterstudiums. Über das Studium hinausgehend, im Vorbereitungsdienst, werden wir noch Leitfadeninterviews mit den Q-Masteranden durchführen, um zusätzliche Informationen zu den Berufswahlmotiven, -biografien und Überzeugungen der Studierenden zu erhalten. Ein fächerübergreifender Vergleich ist für uns auch interessant, da wir ganz unterschiedliche Biografien und Motivationen bei den MINT-Q-Masterstudierenden gegenüber denen in den Sprachen vermuten.

Milster: Zum Beginn des Studiums gibt es eine Erstbefragung zu z.B. Berufswahlmotiven und soziodemografischen Daten. Auch am Ende des Studiums fragen wir die Studierenden nach ihrer Studienzufriedenheit.

Wäckerle: Wir wissen bisher sehr wenig über Berufsbiografien und Professionalisierungsprozesse von qualifizierten Quereinsteiger*innen in den Lehrberuf. In einer Studie begleiten und befragen wir angehende Fremdsprachenlehrer*innen auf ihrem Weg in das Lehramt zu ihren Erfahrungen und Einstellungen, und zwar zu Beginn des Q-Masterstudiums, nach dem Praxissemester und im Vorbereitungsdienst. Die Studie zielt darauf, professionsbezogene Sicht- und Handlungsweisen der Q-Masterstudierenden zu untersuchen und dabei das Verhältnis von Berufsbiographie und Profession genauer zu beleuchten.

 

Gibt es schon Ergebnisse?

Ghassemi: Für verallgemeinernde Q-Master spezifische Aussagen ist es insgesamt noch zu früh. Werden allerdings Q-Masterstudierende und grundständige Lehramtsmasterstudierende gemeinsam betrachtet, zeigt sich für die ersten zwei Kohorten im Fach Physik ein statistisch bedeutsamer Zuwachs des fachdidaktischen Wissens zwischen Beginn und Ende des Lehramtsmasterstudiums.

Milster: Da wir sehr wenige Studierende pro Jahrgang haben, ist eine Auswertung noch nicht immer möglich. Aber wir können die Studierenden insgesamt beschreiben. Sie sind im Durchschnitt Mitte 30 (von Mitte 20 bis Mitte 50 ist alles dabei). In der Regel haben sie mehrjährige pädagogische Erfahrungen aus unterschiedlichsten Kontexten (Nachhilfe, Hochschullehre, Praktika an einer Schule, Sprachschulen und viele mehr). Auswertungen der ersten beiden Jahrgänge geben Hinweise, dass die Q-Masterstudieren vorrangig pädagogische Motivationen haben, den Beruf als Lehrer*in zu ergreifen. Damit würden sich die Q-Masterstudierenden in der Berufswahlmotivation von der Gruppe von Quereinsteiger*innen unterscheiden, die durch Programme der Landesregierungen direkt an die Schule gehen.

Wäckerle: Wir stehen erst am Anfang der Auswertung und können noch keine empirisch fundierten Aussagen über Professionalisierungsprozesse von Q-Masterstudierenden treffen. Aus der Professionsforschung wissen wir, dass viele angehende Lehrer*innen in ihrer Ausbildung ihre eigene Schulerfahrung reproduzieren, die häufig kein angemessenes Vorbild für eine zeitgemäße Schul- und Unterrichtspraxis darstellt. Er wird sich allerdings erst in der Auswertung der Interviews zeigen, ob es Q-Masterstudierenden gelingt, die eigenen Annahmen und Handlungsmuster theoretisch zu reflektieren und in der eigenen Unterrichtspraxis flexibel auf neue Konzepte zurückzugreifen.

Prof. Dr. Daniela Caspari

Prof. Dr. Daniela Caspari
Bildquelle: Annekatrin Lietz

Welche Ziele sind für die Zukunft des Q-Masters geplant?

Ghassemi: Wir wollen den Q-Master weiter verstetigen. Die Ergebnisse der Gesamtevaluation sollen berücksichtig werden, um das Q-Masterstudium noch besser auf die Studiengangsziele abzustimmen.

Milster: Ich hoffe, dass solche Quereinstiegsstudiengänge zukünftig ein anerkannter, weiterer Weg in das Lehramt sein können. Nicht alle Menschen können sich nach zwölf oder dreizehn Jahren Schule vorstellen, Lehrer*in zu werden. Das Leben verläuft nicht immer geradlinig und es ist schön, Menschen, die erst später den Lehrberuf für sich entdecken, eine Chance zu geben, dies in einer absehbaren Zeit zu schaffen. Ich glaube, dass das für Schulen auch eine große Bereicherung sein kann, Lehrer*innen zu haben, die vorher außerhalb des Kontexts Schule unterwegs waren.

Caspari: Wir wünschen uns, dass der Q-Master auch nach Auslaufen des Projektes zum Regelangebot der Freien Universität gehören wird. Und zwar nicht nur, um kurzfristig auf Lehrkräftemangel reagieren zu können, sondern auch, damit Studierende mit unterschiedlichen, nationalen und internationalen Lebens- und Bildungsbiographien auf Dauer die Möglichkeit haben, in einer überschaubaren Zeit einen für das deutsche Schulsystem anerkannten Abschluss zu erreichen.