Kinder haben ein Recht auf Risiko: Konzeptionelle Einbindung des Gartens in den Kita-Alltag - Evangelische Kita Südende
Die Kita Südende liegt zwischen Steglitzer Damm und Teltowkanal. Das 23-köpfige Team arbeitet mit den 130 Kindern in drei räumlich getrennten Abteilungen offen und altersgemischt (ein bis sechs Jahre) nach dem Berliner Bildungsprogramm. Die Einrichtung ist eine Integrationskita: Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf werden von neun Fachkräften für Integration gefördert und unterstützt. Ein rund 2.000 m² großes Außengelände lädt die Kinder bei Wind und Wetter zum Entdecken und Austoben ein. In einem gemeinsamen Prozess wurde das Gelände durch Kita-Team, Eltern und Kinder unterstützt durch die Beratungsstelle „Grün macht Schule – KinderGARTEN“ (http://www.gruen-macht-schule-kindergarten.de/gms/) umstrukturiert, das hat auch im Kita-Alltag einiges in Bewegung gebracht.
Arbeit mit Pflanzen:
Das 2.000 m² großen Außengelände war früher mit deutlich mehr Spielgeräten als grünen Freiflächen ausgestattet. Die Spielgeräte wurden schließlich entfernt, weil sie teilweise nicht mehr den Sicherheitsvorschriften entsprachen, eine Überholung und TÜV-Prüfung wären zu kostenintensiv gewesen. Es zeigte sich, dass die Geräte den Kindern nicht fehlten. Mit der Frage, wie das Gelände anderweitig genutzt und großflächig zugänglich gemacht werden könnte, nahm die Kita Kontakt zu der Beratungsstelle „Grün macht Schule – KinderGARTEN“ (http://www.gruen-macht-schule-kindergarten.de/gms/) auf und erhielt hier Unterstützung auf verschiedenen Ebenen.
Einzelne Team-Mitglieder nahmen an Informationstagen und Fortbildungen teil und kamen begeistert wieder. Das hatte auch einen positiven Einfluss auf das restliche Team. Schließlich wurde in enger Zusammenarbeit mit einer Landschaftsgestalterin von „Grün macht Schule – KinderGARTEN“ (http://www.gruen-macht-schule-kindergarten.de/gms/) die Umgestaltung des Geländes gemeinsam mit dem Team, Eltern und Kindern in Angriff genommen. Viel Inspiration kam dabei auch durch das Freilandlabor Britz, welches die Beratungsstelle „Grün macht Schule – KinderGARTEN“ (http://www.gruen-macht-schule-kindergarten.de/gms/) innehat. Neben zahlreichen praktischen Ideen war besonders die Erweiterung des Verständnisses wichtig, was alles möglich und machbar ist. Hof und Garten der Kita wurden so Schritt für Schritt zu einem Möglichkeitsraum für naturnahe Raumgestaltung. Mit diesem Ansatz ließen sich auch Teammitglieder überzeugen, die vorher fanden: „Gärtnern ist nicht mein Ding“. Ganz handfest unterstützte „Grün macht Schule – KinderGARTEN“ (http://www.gruen-macht-schule-kindergarten.de/gms/) das Team auch in Fragen wie: Was lässt sich unter diesen Licht- und Bodenverhältnissen realisieren? Was sind standortangepasste Lösungen? So lassen sich auch Frustrationen vorbeugen.
Ein wichtiges Element war der gemeinsame Bau eines großen Baumhauses. Das Konzept sah eine Realisierung gemeinsam mit einer Firma, Eltern und Kindern vor. Eine wertvolle Aktion, die zwischen Eltern, Kindern und Kita-Team Verbindung, Vertrauen und Nähe schaffte. Aus diesemersten Experiment entstanden zwei Mal im Jahr stattfindende Gartenaktionstage gemeinsam mit Eltern und Kindern. Im Vorfeld hatten diese Aktionstage nur mit den Eltern stattgefunden. Nun sahen die Eltern die Chancen auf direkteren Austausch und Kontakt sowohl mit der Kita, anderen Eltern, als auch den eigenen Kindern. Denn nicht alle Familien haben privat die Gelegenheit, etwas gemeinsam zu bauen oder gemeinsamer Gartenarbeit nachzugehen.
Auf der 2.000 m² umfassenden Außenfläche werden mittlerweile rund 100 m² für die umfassende gärtnerische Arbeit mit den Kindern genutzt. Die Kinder können hier von der Aussaat über das Wachstum der Pflanzen, eine nachhaltige „Schädlingsbekämpfung“, die Ernte bis zum Abbau und der Zersetzung von pflanzlichem Material im Kompost den gesamten Kreislauf der Natur erleben. Zudem wurden Nisthilfen für Insekten wie Brutkästen und Tränken für Vögel installiert.
Grün ist in vielerlei Form auf dem Gelände zu finden: Von einzelnen Blumen und essbaren Pflanzen über ebenerdige Blumen- und Gemüsebeete, Hochbeete, eine Kräuterspirale bis hin zu einem vertikalen Garten an einer Gebäudewand. Auch ein Teich wurde auf dem Gelände angelegt. Die Pflanzen stammen sowohl aus Handel, der auf biologische Produkte spezialisiert ist, als auch aus konventionellem Handel und eigenem Anbau. Die Kinder lernen unterschiedliche Arten kennen, wie „Schädlinge“ im Garten bekämpft werden können: Hier wird z. B. mit Begleitpflanzen wie Lavendel oder Knoblauch gearbeitet und mit Antagonisten wie Marienkäferlarven, die sich von Blattläusen ernähren. Es werden zudem spezielle Wildpflanzenzonen angepflanzt, um Antagonisten anzulocken. Auch selbst hergestellte Mittel wie Brennnesseljauche werden für die „Schädlingsbekämpfung“ eingesetzt.
Verantwortlichkeiten/Einbindung in das Team:
Jede Abteilung der Kita hat ihren eigenen (Garten-)Bereich, der selbst organisiert wird. Dabei macht jede:r das, was er/sie gut kann und gerne macht. Hier hat sich gezeigt: Selbstbestimmung und Souveränität führen zu mehr Engagement im Team und zu mehr Kooperation und Austausch untereinander. Auch Mitarbeiter:innen ohne pädagogische Aufgabe (z. B. der Hausmeister) sind an der Arbeit mit Pflanzen beteiligt.
Sonstiges:
Initiiert durch eine Mitarbeiterin wurde ausgelotet, inwieweit Bienen in die pädagogische Arbeit integriert werden können. Zu diesem Zweck wurde die Schulimkerei (http://www.die-schul-imker.de/) zu einer Dienstbesprechung eingeladen, das Team war im Nachgang überzeugt, dass Bienen an der Kita eine sinnvolle Ergänzung sein können. Auf Seiten einiger Eltern bestanden diesbezüglich jedoch Ängste und/oder Vorbehalte. Durch ein schrittweises Heranführen an die Thematik konnten diese Ängste und Vorbehalte mittlerweile abgebaut werden. So konnten die Kita-Kinder (und ihre Eltern) durch Besuche von Bienenstöcken in der benachbarten Kirchengemeinde langsam an das Thema herangeführt werden. Nun finden bei der Kita Südende u. a. Honigverkostungen und -verkauf statt.
Partnerschaften/Kooperation mit:
Landesprogramm Grün macht Schule
Landesprogramm für die gute gesunde Kita
Einbindung der Eltern:
Die Kita Südende setzt auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Eltern. Sie sind Teil des pädagogischen Konzepts. Die Eltern werden z. B. bei gemeinsamen Gartenaktionstagen eingebunden.
Es ist wichtig, die Eltern rechtzeitig einzubinden und Pläne und Vorhaben genau zu kommunizieren. Es sollte immer deutlich werden, dass hinter Aktivitäten Konzept und Absicht statt Nachlässigkeit und unnötige Gefahr stecken. („Kinder lernen ihre eigenen Grenzen kennen, wenn sie selbst ausloten, was sie schaffen können. Nur dort, wo sie selbst raufgekommen sind, kommen sie auch selbst wieder unter.“, erklärt die Gesprächspartnerin aus der Kita im Interview.). Auch der Hinweis auf den im aktuellen Berliner Bildungsprogramm festgeschriebenen Punkt: „Kinder haben ein Recht auf Risiko und Krisen“ schadet nicht. Dies beinhaltet bei der Arbeit draußen z. B den Umgang mit Bienen und anderen Insekten, Brennnesseln, Küchenmessern und anderem Werkzeug oder die Nutzung des Baumhauses. Ein guter Kontakt zur Unfallkasse Berlin (https://www.unfallkasse-berlin.de/), die beratend tätig wird und bei der Kommunikation mit den Eltern unterstützt, ist sehr hilfreich.
Finanzierung:
Ein Großteil der Förderung im Gartenbereich, auch von Materialien, wurde über die Beratungsstelle „Grün macht Schule – KinderGARTEN“ (http://www.gruen-macht-schule-kindergarten.de/gms/) realisiert. Alle Leistungen des Programms sind kostenfrei. Weitere Teile werde über den Förderverein des Trägers der Kita – die Kirchengemeinde Südende – sowie Spenden und sonstige Fördergelder finanziert. Hier ist es wichtig, die Augen nach potenziellen Geldgebern offen zu halten. So hat beispielsweise ein Einzelhändler die Hochbeete finanziert.
Was haben Sie auf dem Weg gelernt? Was würden Sie anderen Einrichtungen empfehlen?
- Alles liegt an der Einstellung: Es gibt Bedingungen, die zum Gelingen führen, auf anderes hat man keinen Einfluss. Genauso gibt es keine perfekten Pflanzen. Das Motto ist Lernen fürs Leben – das hilft auch den Erzieher:innen selbst. Die Einstellung, die sie den Kindern gegenüber einnehmen, sind auch beim Gärtnern wichtig wie Geduld oder Großmut.
- Sich einfach trauen, Dinge auszuprobieren und auch „Nicht-Erfolgserlebnisse“ zulassen.
- Vorbild sein: Das bedeutet beim Arbeiten mit Pflanzen auch ganz einfach: Kontakt aufnehmen mit der Natur - denn: „Es gibt Eltern, die kennen „Rausgehen“ nur als Gang auf den Spielplatz oder in den Zoo.“.
- Es funktioniert! Ein Beweis, dass das garten-/naturpädagogische Konzept aufgeht, ist, dass die Kinder gerne rausgehen. („Die kommen morgens an, und wollen sich gar nicht ausziehen, sondern gleich wieder raus.“) Dies gilt auch, weil hier unbeobachtetes Spielen möglich ist und weil sie mitwirken und mitgestalten können. Sie erhalten Raum zum Ausprobieren und Erfahren von Selbstwirksamkeit.
- Insbesondere, um Eltern mit ins Boot zu holen und anfängliche Skepsis zu beseitigen, ist es wichtig, sich Themen langsam, Schritt für Schritt und mit Zwischenstufen anzunähern. Ansichtsexemplare helfen.
- Fachliche Unterstützung holen!
Ansprechpartner:in: Mirjam Frieß
Telefon: +49-30-7957180
Adresse: Buhrowstr. 6, 12167 Berlin
E-Mail: kita@gemeinde-suedende.de