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Berliner Morgenpost vom 24.06.2007: Das Duzen ist bei jedem EU-Gipfel tabu

Konferenzsimulation: Studenten proben den Ernstfall auf internationalem Parkett

Von Kirsten Schiekiera

Es ging um viel. Zur Debatte stand die so genannte Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union. Darf die EU internationale Abkommen aushandeln oder schließen? Darf sie internationalen Organisationen beitreten und über Delegationen in Drittländern verfügen?

News vom 24.06.2007

Es ging um viel. Zur Debatte stand die so genannte Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union. Darf die EU internationale Abkommen aushandeln oder schließen? Darf sie internationalen Organisationen beitreten und über Delegationen in Drittländern verfügen?

Die Vertreterinnen Großbritanniens äußerten Einwände und verlangten nach einer Sicherheitsklausel. Nach etwa einer Stunde kam es zur Abstimmung. Die Rechtspersönlichkeit der EU wurde von 25 Staaten befürwortet, Großbritannien und Irland enthielten sich ihrer Stimme.

"Model European Union - die Zukunft Europas" hieß die Konferenzsimulation an der Freien Universität Berlin, die am Montag und Dienstag stattfand. Insgesamt 36 Studierende übten im Vorfeld des EU-Gipfels in Brüssel zwei Tage lang den Ernstfall auf dem internationalen politischen Parkett.

 

Um den Ablauf und die Atmosphäre möglichst authentisch zu halten, wurden die Studenten aufgefordert, die üblichen Dresscodes einzuhalten. Auch das Duzen untereinander war tabu. "Die Konferenzsimulationen sind das Gegenteil zu dem in Vorlesungen üblichen Frontalunterricht", sagt Peggy Wittke. Sie ist heute Dozentin für Öffentliches Recht und Völkerrecht und hatte die die Veranstaltungsreihe Anfang der Neunziger Jahre noch als Studentin ins Leben gerufen. "Die Teilnehmer selbst sind die Akteure und stehen im Mittelpunkt. Sie übernehmen zwei Tage lang die Aufgaben von Diplomaten und müssen sich ihre Position selbstständig erarbeiten." Etwa zwei bis drei Simulationen von internationalen EU- oder UN-Konferenzen finden jährlich im Berliner Stadtteil Dahlem statt.

 

 

 

Außerdem nehmen Studentendelegationen regelmäßig am so genannten "National Model United Nations" am Sitz der Vereinten Nationen in New York teil. Diese ist die wohl bekannteste und größte Konferenz-Simulation und findet jährlich statt.

Den Horizont erweitern

"Grundsätzlich geht es darum, den eigenen Horizont zu erweitern und Dinge aus unterschiedlichen Positionen zu betrachten", sagt Peggy Wittke. Deshalb seien die Veranstaltungen nicht exklusiv für Jura-Studenten, sondern interdisziplinär und auch offen für Teilnehmer anderer Universitäten. Da die Anzahl der Interessenten die begrenzte Teilnehmerzahl meist bei weitem übersteigt, müssen die Studenten ein Bewerbungs- und ein Motivationsschreiben während der Vorlaufphase einreichen.

Neutral bleiben

"Es war schwierig mein Land gut zu vertreten und den anderen Teilnehmern gegenüber trotzdem neutral zu bleiben", sagt Sarah Weronika Struk. Die Studentin der Politikwissenschaft ist in Polen und Frankreich aufgewachsen und hat bei der Konferenz Tschechien vertreten. Nach ihrem Studium würde sie am liebsten im diplomatischen Dienst oder bei einer EU-Institution arbeiten. "Die Position Tschechiens exakt herauszuarbeiten hat einiges an Zeit verschlungen", sagt die 20-Jährige.

Zur Vorbereitung hatte sie seit der Zusage im Mai allgemeines Hintergrundmaterial über die Europäische Union und über die tschechische Außenpolitik durchgearbeitet und zusätzlich mit tschechischen Diplomaten geredet.

"Ich habe meine Grundposition daraus entwickelt, dass Malta dem EU-Verfassungsvertrag voll zugestimmt hat", sagt Sebastian Beining, Student der Rechtwissenschaft und zwei Tage lang maltesischer EU-Politiker.

Nachdem er seinen Standpunkt entwickelt hatte, fiel es ihm nicht schwer, bei den Diskussionen um die EU-Rechtspersönlichkeit und um den polnischen Vorschlag für eine Neuregelung der Stimmgewichtung seine Meinung zu vertreten.

Polen hat blockiert

Die Simulationen finden immer unmittelbar vor den wirklichen Konferenzen statt. Die Studierenden sollen die Möglichkeit haben, einige Tage später ihre Ergebnisse und Argumente mit dem tatsächlichen politischen Geschehen zu vergleichen. "Polen hat mal wieder geblockt. Das läuft hier nicht anders als in der internationalen Politik", erläutert Dozentin Peggy Wittke. "Die meisten Studenten sind so gut vorbereitet, dass es enorme Ähnlichkeiten in den Abläufen gibt." Kirsten Schiekiera

Aus der Berliner Morgenpost vom 24.06.2007

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