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Policy zum Umgang mit politischen Aktionen und Protesten

22. Oktober 2024

Der Campus der Freien Universität aus der Luft

Der Campus der Freien Universität aus der Luft
Bildquelle: Dirk Laubner

(1) Auftrag der Universität 

Die freie Wahl der Themen von Forschung und Lehre und ihre Ausgestaltung im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit, garantiert durch Art. 5 Abs. 3 GG, sind konstitutiv für jede Universität in Deutschland und somit selbstverständlich auch für die Freie Universität Berlin.

Als Bildungseinrichtung und Forschungsinstitution hat die Universität in Forschung und Lehre einen gesellschaftlichen Auftrag. Sie steht – im Sinne des BerlHG § 4 Abs. 2 – in besonderer Verantwortung für die Entwicklung von Lösungsansätzen für gesellschaftliche Fragestellungen und die Entwicklung der Gesellschaft.

Zur Entfaltung der Wissenschaft in Forschung und Lehre gehören dabei das Ringen um Informationen und Erkenntnis, der Meinungsstreit und die kontroverse Debatte, sowohl in geschützten als auch in öffentlichen Räumen.

(2) Kernprinzipien der universitären Diskussionskultur

Die Anerkennung und Förderung eines respektvollen, fairen, wertschätzenden, macht- und differenzsensiblen Umgangs miteinander sind Selbstverständnis und Verpflichtung der Freien Universität. Nur so kann eine auf Vertrauen basierte universitäre Gemeinschaft für alle Mitglieder gewährleistet werden, in der alle in ihrer Persönlichkeit, Würde und Lebensrealität anerkannt werden und sich in ihrer (wissenschaftlichen) Arbeit entfalten können.

Die Freie Universität stellt sich – wie in ihrem Diversity-Konzept niedergelegt – gegen jede Diskriminierung aufgrund von Nationalität und ethnischer Herkunft, rassistischer und antisemitischer Zuschreibung, Religion und Weltanschauung, Geschlecht und sexueller Orientierung, Behinderung und chronischer Erkrankung oder der sozialen Herkunft.

(3) Die politischen Aspekte universitärer Diskurse

Universitäten sind auch politische Räume, in denen sowohl hochschul- und allgemeinpolitische Entwicklungen als auch gesellschaftliche Konflikte auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse reflektiert und diskutiert werden. Damit gehört zu den Aufgaben der Universität auch der inneruniversitäre Diskurs über gesellschaftliche Fragestellungen sowie der Dialog darüber mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen. Ihr ist aufgetragen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu nutzen, um in die Gesellschaft hineinzuwirken, zu erklären, zu kontextualisieren oder auch zu warnen.

Dabei ist es für Universitäten entscheidend, die Wissenschaftsfreiheit nicht nur zu leben, sondern diese auch hochschulpolitisch und allgemeinpolitisch zu verteidigen.

Insbesondere ist für die Universität die Auseinandersetzung über hochschulpolitische Fragen unerlässlich. Hochschulpolitisches Engagement ihrer Mitglieder aus allen Statusgruppen ist für die Freie Universität wichtig (im Sinne des BerlHG § 4 Abs. 1, letzter Satz). Dieses Engagement wird daher von der Hochschulleitung nachhaltig unterstützt. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Versammlungsmöglichkeiten und von Räumen für Aktivitäten und Veranstaltungen im Rahmen der akademischen Selbstverwaltung und für hochschulpolitische Gruppen.

(4) Politische Veranstaltungen

Mit Blick auf all die genannten Aufgaben gilt für die Universitätsleitung wie für die Rahmensetzungen für Forschung und Lehre ein Neutralitätsgebot, das eine Bevorzugung einzelner Parteien oder politischer Positionen ausschließt. Vor diesem Hintergrund will die Leitung der Freien Universität den Campus nicht für Parteien und hochschulferne Verbände öffnen. Sie trifft aus diesem Grund die folgenden Vorkehrungen:

(1) Die Freie Universität genehmigt in ihren Räumen keine allgemeinpolitischen Demonstrationen, Versammlungen oder sonstige Veranstaltungen.

(2) Die Freie Universität stellt insbesondere keine Räume für Veranstaltungen von politischen Parteien oder parteinahen Organisationen zur Verfügung. Es soll an der Universität keine parteipolitische Werbung (z. B. Wahlwerbung, auf Veranstaltungen oder durch Plakate oder Flugblätter) stattfinden. 

Mit diesen Vorkehrungen ist dezidiert nicht ausgeschlossen, dass im wissenschaftlichen Rahmen von Forschung und Lehre politische, auch parteipolitische Diskussionen und Erörterungen stattfinden, und dafür ggf. Politiker*innen als Gesprächspartner*innen eingeladen werden.

Politische Demonstrationen können im öffentlich zugänglichen Raum auch auf dem Campus der Freien Universität im Rahmen des Versammlungsfreiheitsgesetzes zulässig sein, sind jedoch in der Regel bei der Polizei bzw. der Versammlungsbehörde anzuzeigen und werden dann von der Polizei begleitet. Öffentlich zugänglich in diesem Sinne sind in der Regel nur solche Flächen (in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel), die nicht spezifisch dem Hochschulbetrieb gewidmet sind.

Gruppen an der Hochschule, die Veranstaltungen auf dem Campus organisieren, sind gehalten, Ansprechpersonen zu benennen, die als Verantwortliche für den Ablauf von Veranstaltungen fungieren und Ansprechpartner*innen für Dialoge mit der Universitätsleitung sind.

(5) Proteste und Demonstrationen auf dem Campus

Zu Debatten innerhalb der Universität und in/mit der Gesellschaft gehören aber auch Protestaktionen auf dem Campus und in Universitätsräumen. An der Freien Universität gibt es seit ihren Anfängen eine vielfältige Protestkultur, die auch immer wieder Protestveranstaltungen, Sit-Ins, Teach-Ins sowie Besetzungen von Flächen oder Hörsälen etc. eingeschlossen hat. Die Universitätsleitung erkennt an, dass solche Aktionen das Potenzial haben können, die Gesellschaft (und damit auch Hochschulen) produktiv zu verändern.

Unangemeldete und nicht genehmigte politische Versammlungen, Demonstrationen und sonstige Veranstaltungen sind in den Gebäuden der Freien Universität, also auf den Fluren wie auch in Hörsälen und Seminar- und Laborräumen sowie Außenflächen, die nicht allgemein geöffnet und zugänglich sind, nicht zulässig. Während die Hochschulleitung das Interesse und die Aufgabe hat, den Dialog zu fördern und das Engagement der Studierenden und Mitarbeitenden schätzt, besteht gleichzeitig die Notwendigkeit, den universitären Frieden zu wahren, einen ordnungsgemäßen Betrieb der Hochschule sicher zu stellen und die Mitarbeitenden und Studierenden der Universität zu schützen.

Wenn solche Veranstaltungen trotzdem stattfinden oder wenn es gar zu Besetzungen von Räumlichkeiten der Universität kommt, muss die Universitätsleitung bewerten, ob, wann und wie sie von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und ggf. zu dessen Durchsetzung Polizei und Ordnungsbehörden hinzuziehen möchte. Dabei strebt sie an, solche Entscheidungen sorgfältig abzuwägen und fundiert zu begründen.

Wesentliche Aspekte, die in diese Abwägung unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls einfließen, sind: Vereinbarkeit mit den Prinzipien einer wertschätzenden, diversitätssensiblen und diskriminierungsfreien Diskussionskultur; Gewährleistung des Schutzes aller Mitglieder und Gäste der Freien Universität vor Gewalt, Hassrede oder anderen feindseligen Handlungen (dies umfasst auch den Schutz der an Veranstaltungen oder Protestaktionen teilnehmenden Personen); Vermeidung von Eskalationen, insbesondere in Folge von Verstößen gegen gesetzliche Rahmenbedingungen, die den öffentlichen Frieden gefährden (z. B. Volksverhetzung oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher und terroristischer Organisationen); Sachbeschädigung; Einschränkung oder Behinderung des ordnungsgemäßen Betriebs der Hochschule in Forschung, Lehre und Verwaltung; Möglichkeiten alternativer, konstruktiver Wege des Engagements und Dialogs, um berechtigte Anliegen ohne Störungen des Hochschulbetriebs zu artikulieren.

In der jüngeren Vergangenheit hat die Abwägung durch die Hochschulleitung dazu geführt, dass Besetzungen über Nacht aufgrund von sicherheitsrelevanten Einschätzungen, auch in Hinblick auf potenzielle Gefährdungen für an einer Besetzung teilnehmende Personen, nicht geduldet werden konnten. Indem sie den Schutz und die Sicherheit ihrer Mitglieder in den Vordergrund stellt, schafft die Freie Universität den notwendigen Rahmen, der offene Räume für konstruktive und gewaltfreie Debatten gewährleistet, den respektvollen und inklusiven Austausch fördert und das verantwortungsbewusste Engagement aller Mitglieder unterstützt.