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Die Bibliothek streikt – Na toll! Ein Kommentar

01.02.2022

Streik!

Streik!
Bildquelle: Photo by Markus Spiske on Unsplash

In einem kurzen Erfahrungsbericht erläutert Sweta Meschkapowitz aus der Bibliothek des kunsthistorischen Instituts ihre persönliche Ansicht zu den Streiks des vergangenen Jahres.

Die Bibliothek ist zu. Warum das denn schon wieder? Corona? Wasserschaden? Nein, es wird gestreikt. Na toll!
Die eintägige Schließung der Bibliothek des KHI/FMI im November hatte nachvollziehbare Gründe: Die Tarifverhandlungen für die rund eine Million Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).

Streikrecht ist ein wichtiger Teil des Arbeitsrechts, aber ich hatte bisher noch nie davon Gebrauch gemacht. Ich hatte das Gefühl, es würde mir moralisch nicht zustehen, schließlich werden viele Menschen wesentlich schlechter bezahlt als im Öffentlichen Dienst und das bei schlechteren Arbeitsbedingungen. Beinahe wichtiger: Ich arbeite im Servicebereich, ich will für unser Publikum da sein, die Bibliothek offenhalten, Lösungen finden, im Uni-Alltag helfen. Die Pandemie hat vieles verändert, komplizierter gemacht und stellt alle nach wie vor auf harte Proben.

Wie passt Streik dazu? Nicht Corona führte in den letzten Monaten und Jahren dazu, dass z.B. Bibliotheksteams an der Freien Universität nicht komplett besetzt sind. Neben dem Bibliothekssystem sind viele andere Arbeitsbereiche der Universität unterbesetzt. Selbst der Prozess des Einstellens ist langwierig, weil dafür nicht genügend Personal an den entsprechenden Stellen vorhanden ist. Dieser Zustand betrifft nicht nur die Bibliotheken an der Freien Universität Berlin, nicht nur das Land Berlin, sondern den gesamten Öffentlichen Dienst. Dessen Personal ist in den letzten Jahren einem gravierenden Sparkurs unterlegen.

Nach dem Jubel über eine unbefristete Einstellung (sofern man solange durchhält) folgt bei mir die Ernüchterung, dass man Teil einer Mangelverwaltung geworden ist – und die Erkenntnis, dass es bei dem bisherigen Kurs nur schlechter werden kann. Was es auf Dauer mit Beschäftigten macht, wenn mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt wird, kann sich jede:r selbst ausrechnen.

Ich möchte jedoch nicht an einer Uni arbeiten, die nur „irgendwie“ funktioniert, sondern die gut funktioniert. Und dafür muss es einen guten Personalschlüssel geben und eine gute Bezahlung erfolgen. So weit, so einfach, könnte man meinen.

Statt jedoch in den Tarifverhandlungen den Fokus auf eine zukunftsorientierte Personalentwicklung zu legen, waren Herabsetzungen von Entgeltgruppen, also eine schlechtere Bezahlung, Thema. Dieser Aspekt wurde in dieser Tarifrunde glücklicherweise abgewendet. In Anbetracht der Lohnentwicklung stellt sich dennoch die Frage, wie perspektivisch kompetente Angestellte gewonnen und/oder gehalten werden können.

Die Streikteilnahme war daher nicht nur persönlich motiviert, sondern gleichzeitig im Interesse unseres Publikums gedacht: auch in Zukunft sollen grundlegende Dienste wie z.B. der Transport von Bestellungen, die Bereitstellung von Scanaufträgen, die Beratung vor Ort oder die Ausgabe von bestellten Medien reibungslos klappen und nicht an Personalengpässen scheitern. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass wir nach der Information über die streikbedingte Schließung von unseren Nutzer:innen mündlich und schriftlich Zuspruch erfahren haben, ganz im Sinne von „Die Bibliothek streikt? Toll!“