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Dokumentation: Prüfverfahren der Dissertation von Franziska Giffey durch die Freie Universität

Aktualisiert am: 10. Juni 2021

Die Überprüfung der Doktorarbeit von Franziska Giffey durch die Freie Universität Berlin wurde in zahlreichen Medien aufgegriffen. Die Freie Universität nimmt dies zum Anlass, Antworten auf wichtige Fragen zu dokumentieren. Diese Übersicht wird fortlaufend aktualisiert.

Abschluss und Verlauf des Prüfverfahrens

Die Freie Universität Berlin wurde von Franziska Giffey Anfang Februar 2019 um die Einleitung eines formellen Prüfverfahrens hinsichtlich ihrer Dissertation „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ gebeten. Noch im selben Monat wurde ein Verfahren zur Überprüfung der Dissertation eingeleitet und – wie vom Berliner Hochschulgesetz (Paragraph 34 Abs. 8) vorgesehen – ein Prüfgremium eingesetzt. Ein solches Gremium entspricht in der Zusammensetzung einer Promotionskommission nach der geltenden Promotionsordnung des jeweiligen Faches. Nachdem sich das Prüfgremium intensiv mit der Angelegenheit befasst hatte, schlug es dem Präsidium der Freien Universität Berlin vor, Franziska Giffey eine Rüge zu erteilen und den 2010 vom Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften verliehenen Grad „Doktorin der Politikwissenschaft“ (Dr. rer. pol.) nicht zu entziehen. Das Präsidium der Freien Universität Berlin folgte am 30. Oktober 2019 nach eingehender Beratung dem Vorschlag des Prüfgremiums. Das Präsidium der Freien Universität Berlin hielt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Rüge für geboten. Mit der Rüge missbilligte das Präsidium, dass Franziska Giffey in ihrer Dissertation die Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht durchgängig beachtet hat.

Am 6. November 2020 teilte das Präsidium der Freien Universität mit, dass es beabsichtigt, die Rüge-Entscheidung aufzuheben und erneut gemäß dem Berliner Hochschulgesetz zu entscheiden. Diese Mitteilung basiert auf Kenntnisnahme und Prüfung von drei Rechtsgutachten: Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis hat am 4. November 2020 ein im Auftrag der Freien Universität erstelltes allgemeines Gutachten über das Instrument der Rüge in Verfahren zur Überprüfung der Verleihung eines akademischen Grades gemäß dem Berliner Hochschulgesetz vorgelegt. Zuvor hatten der wissenschaftliche Parlamentsdienst des Abgeordnetenhauses von Berlin am 31. Juli 2020 sowie Prof. Dr. Klaus Gärditz am 27. Oktober 2020 Gutachten erstellt. Nach Kenntnisnahme und Würdigung der Gutachten ergab sich für das Präsidium, dass eine Rüge allenfalls in einem minderschweren Fall zulässig sei; ein solcher sei im Schlussbericht des Prüfgremiums für die Dissertation nicht dargetan worden. Daher sei eine erneute Prüfung durchzuführen.

Am 18. November 2020 teilte das Präsidium der Freie Universität mit, die Dissertation von Franziska Giffey werde erneut geprüft. Für die Überprüfung gemäß § 34 Abs. 7 und 8 des Berliner Hochschulgesetzes wurde durch den zuständigen Promotionsausschuss des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften erneut ein Gremium eingesetzt. Am 25. Januar 2021 trat das neue Prüfgremium im Zusammenhang mit dem Prüfverfahren der Dissertation von Franziska Giffey zusammen und leitete in den folgenden Tagen weitere Verfahrensschritte ein.

Der Bericht des neuen Prüfgremiums wurde dem Präsidium am 23. April 2021 vorgelegt. Das Präsidium gab der Verfasserin der Promotionsarbeit am 5. Mai 2021 Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Die schriftliche Stellungnahme von Franziska Giffey wurde dem Präsidium fristgerecht am 2. Juni 2021 zugestellt, sie war Bestandteil des Prüfverfahrens und wurde bei der neuen Entscheidung des Präsidiums am 8. Juni 2021 berücksichtigt.

Das Präsidium beschloss, die erteilte Rüge aufzuheben und Franziska Giffey den Doktorgrad zu entziehen.

Es gab zwei Prüfverfahren gemäß § 34 Abs. 7 und 8 des Berliner Hochschulgesetzes, in denen es darum ging, ob der Doktorgrad rechtmäßig oder durch Täuschung erlangt wurde. Das ursprüngliche Promotionsverfahren, bei dem es um die Erlangung des Doktorgrads ging, ist kein Prüfverfahren gemäß § 34 BerlHG.

Es wurde sorgsam nach den Vorgaben von § 34 des Berliner Hochschulgesetzes geprüft.

Ja, das Prüfverfahren wurde nach den Vorgaben des Berliner Hochschulgesetzes durchgeführt. Die Freie Universität legte hierbei, wie bei allen Verfahren dieser Art, großen Wert auf die schutzwürdigen Interessen von Franziska Giffey selbst, auf die Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte sowie auf die Vertraulichkeit im Ablauf des Prüfungs- und Begutachtungsprozesses. Rechtssicherheit musste zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens gewährt sein. Der Freien Universität ist bewusst, dass Verfahren zur Überprüfung wissenschaftlicher Arbeiten für die betroffene Person eine belastende Ausnahmesituation darstellen. Auch für die beteiligten Mitglieder der Freien Universität war dieses Verfahren eine Herausforderung.

Die Freie Universität bedauert es sehr, dass aus der Abwägung unterschiedlicher Erfordernisse der Vertraulichkeit von universitären Prüfungs- und Überprüfungsverfahren einerseits und öffentlichem Interesse andererseits besondere Belastungen für die Mitglieder beider Gremien entstanden sind. Es war der Anspruch der Universität, Fairness gegenüber allen Beteiligten im Verfahren zu gewährleisten. Die Freie Universität Berlin hat stets sowohl großen Wert auf die schutzwürdigen Interessen von Franziska Giffey selbst, auf die Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte sowie auf die Vertraulichkeit im Ablauf des Prüfungs- und Begutachtungsprozesses gelegt als auch darauf, möglichen Schaden von allen beteiligten Personen abzuwenden.

Aus den vorliegenden Rechtsgutachten leitete das Präsidium ab, dass die Entscheidung des Präsidiums für die Rüge vom Oktober 2019 möglicherweise rechtsfehlerhaft war, weil ein minderschwerer Fall nicht dargelegt wurde. Daher wurde eine erneute Prüfung der Dissertation vorgenommen.

Ja. Das Präsidium hat im Zuge der Entscheidung über den Entzug des Doktorgrades im Juni 2021 auch die Rüge vom 30. Oktober 2019 aufgehoben.

Ja. Nach Prüfung des Schlussberichtes des neuen Prüfgremiums stellte das Präsidium der Freien Universität Berlin fest, dass seine Rüge-Entscheidung vom 30. Oktober 2019 rechtsfehlerhaft war.

Infolge dieser Rüge-Entscheidung waren drei Gutachten vorgelegt worden: Zunächst am 31. Juli 2020 das Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Abgeordnetenhauses von Berlin, dann, am 27. Oktober 2020, das von Prof. Dr. Klaus Gärditz und schließlich das am 22. September 2020 von der Freien Universität beauftragte und am 4. November 2020 vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Battis. Gegenstand dieses Gutachtens war das Instrument der Rüge in Verfahren zur Entziehung eines akademischen Grades. Nach Kenntnisnahme und Würdigung dieser Gutachten ergab sich für das Präsidium, dass eine Rüge allenfalls in einem minderschweren Fall zulässig ist. Da das Gutachten von Professor Battis erst nach der Entscheidung für die Erteilung einer Rüge erstellt wurde, konnte es weder vom ersten Prüfgremium noch vom Präsidium berücksichtigt werden. Daher hat das erste Prüfgremium in seinem Bericht zwar eine bedingt vorsätzliche Täuschung festgestellt, ist aber nicht explizit auf die Frage eines etwaigen minderschweren Falles eingegangen. Dies führte zum zweiten Prüfverfahren, das die durch die Gutachten präzisierte Fragestellung aufgreifen konnte.

Sie beruht auf dem Bericht, den das im Januar 2021 im erneuten Überprüfungsverfahren eingesetzte Prüfgremium der Dissertation von Franziska Giffey dem Präsidium der Freien Universität Berlin vorgelegt hat.

Nähere Informationen zu den Berichten der beiden Prüfgremien finden sich hier:

Das Prüfverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, innerhalb dessen Betroffene vor einer Entscheidung über Erlass eines Verwaltungsakts das Recht auf eine Stellungnahme haben.

Im Schlussbericht des ersten im Jahr 2019 nach § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes eingesetzten Prüfgremiums wurde dazu keine eindeutige Aussage getroffen: Es wurde weder festgestellt, dass ein minderschwerer Fall vorliege, noch, dass dieser nicht vorliege. In dem Rechtsgutachten von Professor Battis vom 4. November 2020 wird eine Feststellung zu dieser Frage als Grundlage für die Erteilung einer Rüge angeführt.

Gegen die Entscheidung kann Franziska Giffey binnen eines Monats vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage erheben.

Nein. Die Erklärung bewirkt keinen Verlust des Doktorgrads und des damit verbundenen Nachweises der Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit. Die erneute Prüfung der Dissertation zur Vorbereitung einer neuen Entscheidung nach § 34 Abs. 7 und 8 des Berliner Hochschulgesetzes war davon nicht berührt.

Nein, das Prüfverfahren der Dissertation von Franziska Giffey war damit nicht abgeschlossen und wurde weitergeführt. Die Wahrnehmung eines politischen Amts oder der Verzicht darauf hatten keine Auswirkungen auf das von der Freien Universität nach § 34 Abs. 7 und 8 des Berliner Hochschulgesetzes durchgeführte Prüfverfahren.

Prüfgremien

Der Auftrag in beiden Fällen bestand darin, die Dissertation nach § 34 Abs. 7 des Berliner Hochschulgesetzes zu prüfen. Das zweite Prüfgremium prüfte unter Einbeziehung der Ergebnisse der drei Gutachten, darunter das von Professor Battis, das die Freie Universität Berlin im Sommer 2020 in Auftrag gegeben hatte.

Nach § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes entscheidet das Präsidium auf Vorschlag eines Prüfgremiums im Sinne von § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes. Der ursprüngliche Schlussbericht trug nach den im Gutachten von Prof. Dr. Dr. h. c Battis vom 4. November 2020 dargestellten rechtlichen Maßstäben nicht die darauf gestützte Entscheidung des Präsidiums. Es sollte deshalb diese Entscheidung überprüft und eventuell eine neue Entscheidung auf der Grundlage eines neuen Vorschlags getroffen werden.

Dem zweiten Prüfgremium gehörten an:

  • Prof. Dr. Sérgio Costa (Vorsitz)
  • Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn
  • Prof. Dr. Jürgen Neyer
  • Prof. Dr. Dieter Ohr
  • Prof. Dr. Christian Pestalozza
  • Prof. Dr. Joachim Trebbe
  • Dr. Kirsten Jörgensen

Zum ersten Prüfgremium zählten:

  • Prof. Dr. Edgar Grande
  • Prof. Dr. Miriam Hartlapp
  • Prof. Dr. Bernd Ladwig (Vorsitz)
  • Prof. Dr. Barbara Pfetsch
  • Dr. Ingo Peters

Vorsitzende übernehmen in Prüfgremien organisatorische Aufgaben. Die Verantwortung für die Überprüfung und für das Ergebnis tragen alle Mitglieder gleichgestellt.

Zum Schutz der Arbeit des Gremiums wurde auf Vertraulichkeit geachtet. Zudem sollten die Namen während des Verfahrens nicht publiziert werden, um die Unabhängigkeit des Gremiums zu sichern.

Nach § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes liegt es in der Zuständigkeit des Promotionsausschusses des betroffenen Instituts, hier des Otto-Suhr-Instituts, ein Prüfgremium einzurichten, das in der Zusammensetzung einer Promotionskommission nach der zum Einsetzungszeitpunkt am Fachbereich gültigen und somit aktuellen Promotionsordnung entspricht. Hiernach muss das Gremium mit mindestens vier Hochschullehrerinnen oder Hochschullehrern und einer promovierten akademischen Mitarbeiterin oder einem promovierten akademischen Mitarbeiter, besetzt sein. Es können externe Hochschullehrerinnen oder Hochschullehrer eingesetzt werden, von den Hochschullehrerinnen oder Hochschullehrern müssen jedoch mindestens drei Mitglieder dem Fachbereich angehören.

Die Betreuerin der Doktorarbeit war kein Mitglied des ersten oder zweiten Prüfgremiums, das einen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten hatte, ob der Doktorgrad durch Täuschung durch die Doktorandin erworben wurde.

Dies gilt auch für die Einsetzung des zweiten Prüfgremiums: Die Betreuerin der Doktorarbeit war an der Einsetzung dieses Gremiums nicht beteiligt. Die Freie Universität hält fest, dass weder die Betreuung noch die Bewertung der Dissertation Gegenstand des hier einschlägigen Verfahrens im Sinne von § 34 Abs. 7 des Berliner Hochschulgesetzes waren und sind. Die Betreuerin der Doktorarbeit war Anfang 2019, zum Zeitpunkt der Bitte von Franziska Giffey, ihre Dissertationsarbeit zu überprüfen, Vorsitzende des Promotionsausschusses. Als solche war sie bei der Einsetzung des Gremiums gemäß § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes stimmberechtigt beteiligt. Da der Beschluss von allen vier Mitgliedern des Promotionsausschusses getroffen wurde und da weder die Betreuung noch die Bewertung der Dissertation, sondern die Klärung der Täuschungsvorwürfe Gegenstand des Verfahrens im Sinne von § 34 Abs. 7 des Berliner Hochschulgesetzes waren, hielt die Freie Universität Berlin die Mitwirkung der Betreuerin der Doktorarbeit in diesem Rahmen für regelkonform.

Nach erneuter kritischer Prüfung könnte in Zukunft der mögliche Anschein einer Besorgnis der Befangenheit besser vermieden werden, wenn Betreuende im Promotionsverfahren nicht an der Entscheidung über die Einsetzung eines solchen Prüfgremiums mitwirken. An der Einsetzung des zweiten Gremiums war die Betreuerin der Doktorarbeit daher nicht beteiligt.

Die Freie Universität legt einerseits selbst großen Wert auf Transparenz der Verfahren; sie muss andererseits aber die schutzwürdigen Interessen ihrer Studierenden und Promovierenden in Prüfungsprozessen, Persönlichkeitsrechte an privaten Notizen und Unterlagen sowie die Rechtssicherheit und Vertraulichkeit von Prüfungs- und Begutachtungsprozessen achten. Rechtssicherheit musste zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens gewährleistet sein.

Beide Prüfgremium kommen zu dem Ergebnis, dass im Falle der Dissertation Täuschung und zumindest bedingter Vorsatz vorlag und dass die Arbeit nicht den Vorgaben der guten wissenschaftlichen Praxis entspricht. In einer Gesamtbewertung kam das erste Prüfgremium zu der Empfehlung, das Mittel der Rüge zu nutzen, den Doktorgrad aber nicht zu entziehen. Die drei Rechtsgutachten, nach denen das Präsidium schlussfolgerte, es sei allenfalls in einem minderschweren Fall eine Rüge möglich, lagen zu dem Zeitpunkt der Empfehlung des ersten Prüfgremiums und der Entscheidung des Präsidiums noch nicht vor. Das zweite Prüfgremium konnte die nunmehr erkannte Rechtslage durch die drei vorliegenden Gutachten nutzen und seine Empfehlung vor diesem Hintergrund ausrichten.

Das Präsidium stellte in Kenntnis der drei Gutachten und auf Basis des Berichts des zweiten Prüfgremiums fest, dass kein minderschwerer Fall vorliegt und entschied daher am 8. Juni 2021, die Rüge-Entscheidung aufzuheben und den Doktorgrad zu entziehen.

Nein. Beide Prüfgremien wurden unter Berücksichtigung der gängigen Befangenheitsregeln besetzt.

Es wurde wie beim ursprünglichen Verfahren zur Überprüfung der Dissertation nach § 34 Abs. 7 und 8 des Berliner Hochschulgesetzes verfahren. Das Präsidium bat den Fachbereich, durch den Promotionsausschuss ein Prüfgremium gemäß § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes einzusetzen. Es bestand der Wunsch, das Verfahren - ungeachtet der Komplexität und trotz der Pandemielage - möglichst in der Vorlesungszeit des Wintersemesters abzuschließen. Doch der notwendige Findungsprozess zur Besetzung des Prüfgremiums erwies sich als aufwendiger als erhofft. Danach konnte das Prüfverfahren zügig durchgeführt werden.