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Gebäude

Eingangssäulen

Eingangssäulen
Bildquelle: Michael Fahrig

Astronomisches Rechen-Institut in der Altensteinstraße 40 circa im Jahr 1914 von der Straße aus

Astronomisches Rechen-Institut in der Altensteinstraße 40 circa im Jahr 1914 von der Straße aus
Bildquelle: Astronomisches Rechen-Institut, Heidelberg

Historiker und Gründungsrektor Friedrich Meinecke (links) verlässt nach dem Festakt der Umbenennung des Historischen Seminars in Friedrich-Meinecke-Institut das Gebäude

Historiker und Gründungsrektor Friedrich Meinecke (links) verlässt nach dem Festakt der Umbenennung des Historischen Seminars in Friedrich-Meinecke-Institut das Gebäude
Bildquelle: Gerd-Victor Grau

Mehr als 30 Jahre lang – von 1912 an – wurden in der Altensteinstraße 40 in Berlin-Dahlem die Umlaufbahnen der Sterne und Planeten berechnet. Denn hier befand sich das Königliche Astronomische Rechen-Institut, das bereits im Jahr 1700 im Auftrag der Berliner Sternwarte seine Arbeit aufgenommen und vom brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. (später König Friedrich I. in Preußen) das sogenannte Kalenderpatent erhalten hatte.

Damit besaß das Astronomische Rechen-Institut das Privileg für die Festlegung des Kalenders und die Herausgabe der jährlichen Kalenderdrucke. Bis heute ist die Einrichtung, nun mit Sitz in Heidelberg, für die Errechnung der Zeitpunkte des täglichen Auf- und Untergangs von Sonne und Mond zuständig.

Zunächst war das Rechen-Institut in der Luisenstadt (heute: Kreuzberg) in der Lindenstraße 91 ansässig. Doch die Aufgaben wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts komplizierter, die Wissenschaft beanspruchte nun mehr Raum und sollte sich ungestört entwickeln können.

Zu diesem Zweck entwarf der Königliche Baurat Alfred Koerner für das Eckgrundstück an der Grenze zwischen Lichterfelde und Dahlem einen dreigeschossigen kastenförmigen Baukörper. Er war schlicht gestaltet, verputzt und mit Dreiecksgiebel sowie einem Walmdach versehen. Der gedrungene zurückgesetzte Eingang, wenngleich durch dorische Säulen flankiert, ließ keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Zweckbau handelte.

1912 zog das Rechen-Institut in den Neubau in der Altensteinstraße 40 ein. Der Direktor des Rechen-Instituts Fritz Cohn (1866–1922) und die gesamte Familie Cohn, zu der Ehefrau Johanna Peters und drei Kinder gehörten, bezogen hier zudem Wohnräume. Nach dem überraschend frühen Tod des Direktors 1922 musste Frau Peters Cohn das Gebäude räumen. Die Kinder nahmen zum Schutz vor Diskriminierung nach 1933 – denn Fritz Cohn war jüdischer Herkunft – den Namen der Mutter an: Peters. Angesichts der politischen und rassistischen Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime mussten sie ins Exil gehen.

Ein Enkelsohn der Cohns war Jan Peters, schwedischer Staatsbürger und in der DDR viele Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem von Jürgen Kuczynski aufgebauten Institut für Wirtschaftsgeschichte. Fritz Cohns Nachfolger, August Kopff, stand der Einrichtung 30 Jahre lang vor, von 1924 bis 1954. Unter seiner Leitung trug es fünf Jahre lang (bis 1944) den Namen „Coppernicus-Institut“ (von 1943 an „Kopernikus-Institut“ geschrieben). Als 1944 die Kriegsmarine die Aufsicht übernahm, änderte sich entsprechend der Name in „Astronomisches Rechen-Institut der Kriegsmarine“.

Die gerade auch im Kriegsverlauf unverzichtbare Navigation der Schifffahrt mithilfe der Positionsbestimmung der Gestirne wurde hier unter militärischer Aufsicht fortgeführt, bis ein Teil der Ressorts von Berlin ins sächsische Sermuth ausgelagert wurde. Nach Kriegsende veranlassten die einmarschierten Truppen der US-amerikanischen Armee die weitgehende Verlegung des Instituts nach Heidelberg.

Im Zuge der Aufteilung der Kontrolle Berlins und Deutschlands unter den Alliierten zog ein kleiner Teil des Astronomischen Rechen-Instituts nach Babelsberg, wo es 1956 in der Sternwarte Babelsberg aufging. Das nun in Heidelberg ansässige Astronomische Rechen-Institut leitete Roland Wielen, ehemaliger Student der Physik und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, als Direktor von 1985 bis 2004.

Nach Kriegsende 1945 beschlagnahmten die US-amerikanischen Truppen das Gebäude in der Altensteinstraße 40, das zum US-Sektor gehörte, und unterhielten darin einen Club mit dem Namen „Melodie“. Hier fand nur ein exklusiver Kreis von Besuchern Zugang. Filme wurden vorgeführt, es gab ein kleines Restaurant und eine Dunkelkammer für Fotoarbeiten. Als die Beschlagnahme 1950 aufgegeben wurde, übergaben die amerikanischen Nutzer das Haus; in den Akten findet sich der Vermerk: „mit einem Bett aus Metall.“

Das Land Berlin übernahm die Liegenschaft und übertrug sie der Freien Universität Berlin. Das Historische Seminar (später: Friedrich-Meinecke-Institut) fand hier seinen ersten Sitz. Der hochbetagte Historiker Friedrich Meinecke (1862–1954), erster Rektor der Freien Universität und Inhaber zweier Ehrendoktorwürden, war inzwischen Emeritus.

Mehr als 20 Jahre lang blieb das sich stetig vergrößernde Institut an diesem Standort und hatte mit vielen Unzulänglichkeiten zu kämpfen, beispielsweise mit beengten Räumlichkeiten für Lehrveranstaltungen. Im Jahr 1959 wurden im Dachgeschoss weitere Räume ausgebaut. 1973 zog das Friedrich-Meinecke-Institut in das damals neu eröffnete Gebäude in der Habelschwerdter Allee 45 um, in dem es bis 1998 blieb. Inzwischen befindet sich das Institut in der Koserstraße 20.

1973 verlegte die Universitätsleitung ihren Sitz in die Altensteinstraße 40. Rolf Kreibich, Eberhard Lämmert, Dieter Heckelmann und Johann Wilhelm Gerlach hatten hier als Präsidenten der Freien Universität Berlin ihr Büro. Die Universitätsleitung zog 1994 um, nachdem ein repräsentativer Bau in der Kaiserswerther Straße frei geworden war.

Hier war zuvor die Alliierte Kommandantur ansässig gewesen, das Kontrollorgan der vier Besatzungsmächte USA, Großbritannien, Frankreich und Russland über die Viersektorenstadt Berlin; infolge des Zwei-plus-Vier-Vertrags und der deutschen Vereinigung war sie aufgelöst worden. Das Gebäude in der Altensteinstraße 40 wurde durch Umbauten erneut für den Lehrbetrieb hergerichtet, den hier 1994 die Institute für Islamwissenschaft und für Religionswissenschaft aufnahmen. Nach 2008 war hier allein die Islamwissenschaft ansässig, während die Religionswissenschaft in die Goßlerstraße 2–4 umzog.