Springe direkt zu Inhalt

Gebäude

Hof- und Gebäudedetails

Hof- und Gebäudedetails
Bildquelle: Michael Fahrig

Hof- und Gebäudedetails

Hof- und Gebäudedetails
Bildquelle: Michael Fahrig

Das Gebäude wurde 1903 als Erziehungsheim für „gefährdete Mädchen“ errichtet. Der Standort war weit abgelegen, vor den Toren der Stadt Berlin in der Colonie Dahlem. Die Straße hatte noch keinen Namen; sie war einfach die Straße 9. Zuständig für die Bauanträge war damals die Forstverwaltung. Ganz offensichtlich sollten die Mädchen in räumlicher Distanz zu dem für sie schwierigen Umfeld leben.

Bei dem Gebäude handelt es sich um einen für die wilhelminische Ära typischen Zweckbau. Der zweiteilige Baukörper hat Giebelfronten zur Goßlerstraße und zur Straße Unter den Eichen; zwei- bis dreigeschossig erhebt er sich über einem hohen Sockelgeschoss. Die Fassadenverblendung in Klinker – mit eingelegten Putzflächen – erinnert an märkische Klosteranlagen.

Der Giebel mit großen Rundfenstern, ansonsten hochformatigen Fenstern, und die sensible Schichtung der Fassadenverkleidung unterstützen diesen Eindruck. Der Eingangsbau mit Freitreppe auf der rechten Seite ist hingegen bescheiden ausgelegt. Die Fenster verfügen teilweise über eine filigrane Vergitterung. Der Schriftzug Mariannenhaus findet sich noch am seitlichen Giebel.

Die Stiftung Mariannenhaus, Trägerin der Einrichtung, wurde in den Berliner Gründerjahren vom Polizeipräsidenten Guido von Madai (1810–1892) gegründet und betrieb mehrere Heime dieser Art. Für den Bau durften laut Bauakte nur „gute Materialien“ verwendet werden.

Ein riesiger Garten für den Obst- und Gemüseanbau diente der Selbstversorgung. Im Jahr 1925 wurde die Gartenfassade über dem Waschküchenflügel aufgestockt, zusätzlich wurde eine Gartenhalle errichtet. Die Leitung und der Betrieb lagen in den Händen von evangelischen Diakonissinnen; die Jugendämter der Bezirke wiesen die Mädchen hier ein.

Der Unterbringungsbedarf war in den 1920er Jahren unvermindert groß, sodass die Räume im Dachgeschoss für den „dauerhaften Gebrauch“ ausgebaut wurden. Zudem besaß das Heim die Anerkennung als „Landwirtschaftliche Privatschule“. In den 1930er Jahren wandelte es den Schwerpunkt zur Haushaltsschule. Der Garten wurde nun privatwirtschaftlich von einer Gärtnerei genutzt. In seinem hinteren Teil bewohnte der Pförtner eine separate Wohnung. Die Pläne weisen getrennte Speisesäle für die Bewohnerinnen und das Personal aus.

Es gibt keine schriftlichen Zeugnisse über den Betrieb der Erziehungsanstalt. Lediglich für 1945 existiert in den Beständen der Diakonie ein Jahresbericht: Die Leiterin des Mariannenhauses (es ist nicht klar, ob es noch die 1943 tätige Ch. Heder war) beschreibt die Situation der letzten Kriegstage. Um den 21. April 1945 entließ sie 35 von 50 der zu betreuenden „gefährdeten“ jungen Frauen und schickte sie zu deren Angehörigen. Sie selbst harrte mit ihren Mitarbeiterinnen und den verbliebenen „Mädels“ im Gebäude aus. In der Folge suchten hier auch Schwestern aus anderen Regionen mit ihren Zöglingen Zuflucht.

Nach der Besetzung Berlins durch sowjetische Truppen kam es zu zahlreichen Übergriffen von Soldaten auf die Zivilbevölkerung. Fünf Mädchen des Mariannenhauses zählten zu den Opfern von Vergewaltigungen. Die Oberin, die sie nicht schützen konnte, war verzweifelt, wollte ihre Schutzbefohlenen aber vor weiteren Angriffen bewahren. Mit Erfolg ersuchte sie die sowjetische Militärführung um Hilfe: Der Kommandant, dessen Schwester während des Krieges durch SS-Angehörige vergewaltigt worden war, gab ihr ein Schreiben, in dem stand, dass den Leuten der Kirche kein Leid geschehen dürfe.

Angesichts der drängenden Not wurde die Jugendarbeit zugunsten der Pflege und Unterbringung von Kindern und obdachlos gewordenen alten Menschen zurückgestellt. Über die weiteren Tätigkeiten des Mariannenhauses ist nichts bekannt. Als 1966 die Straße Unter den Eichen ausgebaut wurde, wollte der Erdölkonzern Shell auf einem Stück des zuvor geteilten Grundstücks eine große Tankstelle errichten, doch kam es nicht zur Umsetzung dieser Pläne.

1968 übernahm das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk e. V. das Gebäude. 1970 mietete die Freie Universität Berlin das Objekt, das anschließend über drei Jahrzehnte lang vom Institut für Englische Philologie der Freien Universität genutzt wurde. 2008 wechselte das Institut für Religionswissenschaft in das Gebäude.