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Institut

Terrassentür

Terrassentür
Bildquelle: Michael Fahrig

Historische Planzeichnung

Historische Planzeichnung

Treppenaufgang

Treppenaufgang
Bildquelle: Michael Fahrig

Die Iranistik widmet sich den mehr als 20 alt-, mittelund neuiranischen Sprachen sowie ihren schriftlichen Überlieferungen von der Antike bis zur Gegenwart – über einen Zeitraum von rund 3 000 Jahren. Die Analyse der schriftlichen Quellen vermittelt Kenntnisse der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung des Iran. Gegenstand der Forschung sind neben den sprachwissenschaftlichen Aspekten die soziale Struktur, die Kultur, das Recht und die Religion. Die weite Zeitspanne wird üblicherweise in die vorislamische Epoche (bis zum 7. Jahrhundert n. Chr.) und die islamische Zeit aufgeteilt.

Noch heute beruht das iranische Selbstverständnis auf der Gewissheit, in einer eigenen Kultur und eigenen Tradition verwurzelt zu sein, in deutlicher Abgrenzung zum Arabischen. An diesem Selbstbild hat maßgeblich der Dichter Firdausī (ca. 940 bis 1020 n. Chr.) Anteil, der mit seinem monumentalen Werk „Schāhnāme“ (auf Deutsch unter dem Namen „Buch der Könige“ bekannt) ein Epos von überzeitlichem und überkulturellem Rang schuf.

In etwa 50 000 Versen werden die langjährigen Legenden, Mythen und Traditionen der Iraner aus vorislamischer Zeit besungen, die der Dichter aus alten Überlieferungen zusammengetragen hat. Die französische Übertragung im 19. Jahrhundert durch Jules Mohl mag Heinrich Heine zu seinem Gedicht „Schach Mahomat hat gut gespeist“ angeregt haben. In diesem Text geißelt Heine die unzureichende Unterstützung der Kunst durch die Mächtigen. Der Legende nach vermisste Firdausī tatsächlich die angemessene Wertschätzung seines Werks.

„Schāhnāme“, als Markstein einer eigenständigen persischen Literatur, wird auch am Institut für Iranistik der Freien Universität Berlin intensiv behandelt. Untersucht werden besonders die Übergänge der Epochen der iranischen Kulturgeschichte, um zu einem tieferen Verständnis der Genese der modernen Verhältnisse zu gelangen.

Dabei beschränkt sich die Forschung am Institut räumlich nicht auf die Staatsgrenzen des aktuellen Iran, sondern umfasst weitere Regionen, die historisch unter iranischem Einfluss standen, in denen iranische Sprachen gesprochen und iranische Schriftzeugnisse gefunden wurden: Der Einflussbereich erstreckte sich in der Antike und im Mittelalter von Chinesisch-Turkestan im Osten bis Ägypten im Westen; in islamischer Zeit umfasste er unter anderem Afghanistan, Usbekistan und Tadschikistan.

Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn die bedeutende Entdeckung, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Berliner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Oase Turfan in Chinesisch-Turkestan gemacht wurde – es wurden Texte auf Parthisch, Mittelpersisch, Soghdisch und Khotanisch aufgefunden –, intensivere Forschungen zur kulturhistorischen Entwicklung Irans angestoßen hätte; eröffneten diese Zeugnisse doch einen neuen Blick auf die Vergangenheit. Allerdings reagierten nur wenige Universitäten mit der Schaffung eigenständiger Institute für Iranistik.

Bei der Gründung der Freien Universität Berlin 1948 wurde zunächst noch kein eigenständiges Institut für Iranistik etabliert. An der alten Berliner Universität existierte das Fach Iranistik bereits, ausgestattet mit zwei Professuren mit philologischem und literarischem Schwerpunkt. An der Freien Universität Berlin wurden Veranstaltungen zur Iranistik im Verbund mit indogermanischer (indoeuropäischer) Sprachwissenschaft und Indologie angeboten, da die iranischen Sprachen zum indoiranischen Zweig der indoeuropäischen Sprachen gehören. Die Sprache der Region im Südwesten Irans – Persisch – ist somit verwandt mit anderen iranischen Sprachen, etwa Kurdisch und Paschto.

Räumlich wurden alle wissenschaftlichen Einrichtungen der Philosophischen Fakultät am Anfang in der Boltzmannstraße 3 untergebracht. 1956 bekam das Indogermanische Seminar seinen Sitz in der Garystraße 45, zog aber schon ein Jahr später in die erste Etage des kleinen Gebäudes im Faradayweg 15.

In den frühen 1960er Jahren wurde an der Freien Universität Berlin Olaf Hansen (1902–1969) als ordentlicher Professor für Iranistik berufen. Der Fokus lag dabei noch auf Sprachwissenschaft. Das änderte sich auch nicht, als 1963 das eigenständige Seminar für Iranische und Indische Philologie gegründet wurde, das nun in räumlicher Trennung von der Indogermanistik in eigenen Räumen in der Walter-Linse-Straße 12 in Lichterfelde-West untergebracht war.

Olaf Hansen übernahm die Leitung der Indo-Iranistischen Abteilung und verfolgte weiterhin seine Forschungsinteressen, die in der Iranistik lagen. Er hatte als Erster einige der soghdischen Texte und mittelpersische Papyri bearbeitet und hierzu bereits 1930 publiziert. Mit seinen Entzifferungen und Interpretationen beeinflusste er die Forschung zum Mitteliranischen maßgeblich. Sein Schüler Günter Gobrecht setzte diese Arbeit an den mitteliranischen Texten mit philologischem Schwerpunkt fort.

Mit der Berufung Carsten Colpes (1929–2009) als Professor für Iranistik erfuhr das Seminar 1968 eine personelle Verstärkung. Colpe, der in den drei Disziplinen Iranistik, Religionsgeschichte und Evangelische Theologie wissenschaftlich ausgewiesen war, forcierte die eigenständige iranistische Forschung, insbesondere zu religionshistorischen Themen. Colpe hatte sich, bevor er nach Berlin kam, schon intensiv mit den Religionen des Partherreichs (3. Jahrhundert v. Chr. bis 3. Jahrhundert n. Chr.) beschäftigt. Den Mithraskult oder den von Zarathustra gestifteten Zoroastrismus wie auch den von Mani begründeten Manichäismus mit iranischen Wurzeln untersuchte er im Hinblick auf soziokulturelle Aspekte; so untersuchte er die Loyalität der jeweiligen Anhängerschaft und ihre Praktiken der Traditionswahrung.

Mit diesen breiter ausgelegten kulturgeschichtlichen Themenfeldern löste sich das Seminar für Iranische Philologie von der Indologie. Nach außen wurde dieser Schritt 1970 auch durch den Bezug eigener Räumlichkeiten im Reichensteiner Weg 12–14 in Dahlem verdeutlicht. Ebenfalls im Jahr 1970 wurde eine zweite Professur mit Günter Gobrecht besetzt, den Hansen fünf Jahre zuvor als ersten wissenschaftlichen Assistenten angestellt hatte. Eine dritte Professur für Neupersisch wurde 1972 mit Farhad Sobhani besetzt.

1985 wurde erstmals eine Professur speziell für die Geschichte und Kultur Irans in islamischer Zeit ausgeschrieben. Bert Fragner folgte dem Ruf, besetzte die Stelle allerdings nur bis 1989. Nach der deutschen Vereinigung wurde die Iranistik neu ausgerichtet und die Kooperation mit Wissenschaftlern aus Ost-Berlin verstärkt. Werner Sundermann (1935–2012), Spezialist für Turfan- Forschung, wurde Honorarprofessor am Institut; auch der Iranistik-Professor Manfred Lorenz hielt bis 2003 regelmäßig Lehrveranstaltungen.

Während es in der Vergangenheit drei Iranistik-Professuren an der Freien Universität gab, ist es aufgrund von Sparmaßnahmen des Berliner Senats nunmehr eine Professur. 1995 wurde Maria Macuch auf die Professur für Iranistik berufen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des vorislamischen Rechts und dessen Einflüssen auf andere Rechtssysteme. Gegenstand dieser Untersuchungen sind Wirkungszusammenhänge zum babylonischen Talmud, dem christlich-nestorianischen Recht, dem byzantinischen oder dem schiitischen Recht. Dieser Fokus ist weltweit einzigartig.

Ein weiterer Schwerpunkt am Institut ist die Analyse von Texten in der schwer entzifferbaren sogenannten Pahlavi-Kursive. Als in den 1980er Jahren bei einem Berliner Antiquitätenhändler neue bis dahin unbekannte Pahlavi-Dokumente aus vorislamischer Zeit zum Verkauf standen, entpuppte sich dies schnell als wissenschaftliche Sensation.

Das Angebot umfasste mehrere Schriftstücke in Leder und Leinen. Der Fund war nicht wissenschaftlich dokumentiert worden, doch der Inhalt der Schriften bestätigte die Angaben des Händlers, denen zufolge sie aus der heiligen Stadt Qom, südlich von Teheran, stammten. Die Freie Universität Berlin konnte 30 Dokumente erwerben, neun waren bereits vorher an Privatpersonen verkauft worden. Nach und nach wurden sie im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts von Dieter Weber entschlüsselt, wobei auch die in Privatbesitz befindlichen Dokumente einbezogen werden konnten.

Die University of California in Berkeley, die ein ähnliches Konvolut erworben hatte, stellt in Kooperation mit der Freien Universität Berlin für ein laufendes Forschungsprojekt ihren Bestand zur Entzifferung und Interpretation zur Verfügung. Schon jetzt können die Erkenntnisse als weitreichend bezeichnet werden, stehen doch die Pahlavi-Papyri in einer langen Tradition der Briefkultur, wie sie im iranisch geprägten Orient gepflegt wurde.

Am Institut für Iranistik wird zudem intensiv zu anderen Epochen geforscht, etwa zur Rezeption des Zoroastrismus in der Sassanidenperiode. Auch die Erforschung des Manichäismus hat nicht an Bedeutung verloren. Daneben werden Kurdische Studien sowie Iranische Literaturen literaturgeschichtlich im Hinblick auf Texttraditionen untersucht.

Das Institut für Iranistik beteiligt sich am Sonderforschungsbereich Episteme in Bewegung, mit dem der Wandel des Wissens in europäischen und außereuropäischen Kulturen in der Vormoderne untersucht wird. Das Institut steht mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zur Turfanforschung in Verbindung. Außerdem besteht ein Kooperationsvertrag mit der Yale University. Seit 1993 gibt das Institut eine eigene Publikationsreihe mit dem Titel Iranica heraus.